LESERINNENBRIEFE
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Wenn wir alle nur sparen würden

■ betr.: „Schämt euch, ihr Versager!“, taz vom 25. 11. 11

Die primitiven Anschuldigungen einiger deutscher Politiker und schlecht informierter BürgerInnen gegen Griechenland und Deutschgriechen empfinde ich als widerlich!

Fast alle Länder spielen dasselbe Spiel und machen Schulden, auch Deutschland hat 2 Billionen Euro Miese! Viele private Haushalte in aller Welt leben über ihre Verhältnisse! So soll es doch sein, so funktioniert das Wachstumssystem! Wenn wir alle nur sparen würden … Werbeleute, Banker oder Manager würden sogleich das Handtuch werfen. Wenn Iren, Spanier, Griechen kein Geld mehr ausgeben können, wer beschert uns Deutschen dann unsere Außenhandelsüberschüsse? Sollen nur noch Investmentspekulanten „Geld“ horten und verschieben? Ohne die normale Wirtschaft geht es nicht! Entweder ist das „neoliberale Wachstumssystem“ am Ende, oder …

Liebe DeutschgriechInnen, was in Griechenland und anderswo passiert, betrifft morgen auch Deutschland! Mal sehen, wen Politik und Schmierenpresse dann als Schuldige anklagen.

GEBHARD MACK-REISER, Burladingen

Eine inakzeptable Auffassung

■ betr.: „Schämt euch, ihr Versager!“, taz vom 25. 11. 11

Schade, schade, schade! Der Artikel der VerfasserInnen hat eindeutig eine (griechisch) nationalistische Schlagseite. Wir, die wir in den 70er Jahren wunderbare Zeiten und Freundschaften in und mit Griechenland erleben durften, sind sehr bekümmert, was im Moment in Griechenland passiert. Wir zählen einige „Deutschgriechen“ zu unserem Freundeskreis. Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir aber feststellen, dass sich die politische Diskussion mit unseren deutschgriechischen Freunden – jetzt und vor der Krise – vielfach einseitig auf Griechenland konzentriert hat. Dabei wurde meistens auch heftig auf die Türken geschimpft, was uns eigentlich schon immer gestört hat. In der Diskussion war generell wenig Platz für andere Dinge und Probleme in der Welt. Zuweilen hat das uns sehr nachdenklich gemacht.

Es ist ja völlig okay, sich weiterhin mit Griechenland, mit der Musik, mit der Landschaft, dem Lebensgefühl der Familien, Verwandten und Freunde zu identifizieren, natürlich auch mit dem Mut zur Rebellion. Jeder, der Griechenland lieben gelernt hat, kann das nachvollziehen. Die VerfasserInnen können aber doch wohl nicht ernsthaft zu der Schlussfolgerung kommen, dass vorsätzlich und mit Konsequenz der Wert der Menschen in Griechenland (von den Deutschen?) herabgestuft wird. Völlig inakzeptabel ist die Auffassung, dass wir (Deutschland, übriges Europa?) die Griechen als genuin faul, chaotisch und undiszipliniert brandmarken, um sie sozial- und lohnpolitisch leichter entrechten zu können, als es das Leben eines vollwertigen europäischen Bürgers zulässt.

Dann noch zu behaupten, dass sich darin die Logik eines postliberalen Rassismus offenbart und ihn – noch schlimmer – in dem Rassismus der Neonazi-Mörder einzustufen, zeigt so gut wie kein Nachdenken über das, was die Griechen selbst zu verantworten haben! Auch der „kleine Mann“ hat Rentenzahlungen für Verstorbene ohne Gewissensbisse vereinnahmt, hat Steuern hinterzogen und Bestechungsgeld (Fakelaki) für z. B. die Beschleunigung der Ausstellung eines Führer- oder Fahrzeugscheins oder für eine Baugenehmigung bezahlt. Die Beträge gingen auch über den Tisch, um schneller in einem öffentlichen Krankenhaus aufgenommen zu werden oder um die Ergebnisse einer Steuerprüfung zu manipulieren. Schließlich hat das griechische Volk auch ihre Politiker selbst ausgesucht bzw. gewählt!

Von Rassismus oder von einer latent antigriechischen Haltung gegenüber den Griechen zu sprechen, entbehrt jeder Grundlage. Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass sich die griechischen Bürger selbst mit einem neuen – abgrenzenden – Nationalismus isolieren. Schade und traurig, denn mein Bedürfnis, die längst schon überfällige erneute Reise nach Griechenland zu starten, hat einen erheblichen Dämpfer bekommen, zumal ich auch keine Lust habe, mich den andauernden Streiks in Griechenland auszusetzen. Nicht gut für die nötige Verständigung! HOLGER DRESSLER, Hamburg

Die oberen Zehntausend geschont

■ betr.: „Schämt euch, ihr Versager!“, taz vom 25. 11. 11

Es ist ja schon interessant zu beobachten, wie im Zuge der Finanzkrise bis weit nach links vom rechten Rand nationalistische Ressentiments wieder hoffähig werden. Die deutschen, griechischen, französischen, italienischen, englischen und sonstigen europäischen Fußvölker beschimpfen sich beschuldigend gegenseitig und vergessen dabei, jeweils die oberen Zehntausend ihres Landes ins kritische Visier zu nehmen. Das ist doch eine altbekannte demagogisch gesteuerte Ablenkungstradition, mit der man endlich mal brechen könnte.

Warum nimmt nicht jede Nation ihren reichsten zehn Prozent im Sinne eines notstandsgesetzlichen Lastenausgleichs die Hälfte ihres Vermögens weg? Damit ließe sich die Schuldenkrise lösen, ohne dass die auch dann immer noch bestens gepolsterten Benommenen subjektiv überhaupt etwas merken würden. Zudem wär’s gerecht, denn es würden ausnahmsweise mal die richtig löhnen, die die letzten Jahrzehnte am meisten von den Mechanismen profitiert haben, die die aktuelle Finanzkrise vorantreiben.

Aber einen solchen Gedanken traut sich ja nicht mal die Linke laut zu denken. Lieber riskiert man die Hyperinflation, bei der die große Mehrheit weit mehr als die Hälfte ihres mühsam ersparten spärlichen Wohlstands schmerzhaft spürbar verlieren wird. Zur Frustabfuhr dürfen sich dann die verarmten Michels der am Euro zerbrochenen Länder nicht nur weiter beschimpfen, sondern vielleicht sogar wieder die Köpfe einschlagen. WERNER STINGL, Dachau