Mann mit Erinnerung

Wieso ich? Ungläubig reagierte Thorsten Storm vor knapp zwei Jahren: Am Finalwochenende der Handball-EM hatte er erfahren, dass die Kieler Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift gegen Uwe Schwenker, Ex-Manager des THW Kiel, und Ex-Trainer Noka Serdarusic vorgelegt hatte. Er glaube nicht, dass man ihn als Zeugen laden werde, meinte der Manager der Rhein-Neckar-Löwen. Nun aber kam es doch dazu.

Blass und angespannt trat der Zeuge Storm im Saal 232 des Landgerichts Kiel auf, einen Anwalt an seiner Seite. Das Erinnerungsvermögen des 47-Jährigen aber war teils famos: Präzise schilderte er seine „Lehrzeit“ unter Schwenker, damals noch als freier Mitarbeiter für das THW-Marketing. Dann seinen Wechsel 2002, als er Manager des Erzrivalen SG Flensburg-Handewitt wurde – jenes Klubs, der in seiner Heimat, dem nordfriesischen Leck, die größte Strahlkraft besaß. Aber auch, dass er Selbstzweifel gespürt habe: „Wie soll ich das machen?“

Als er 2007 schließlich zu den Löwen wechselte, war Storm einer der wichtigsten Impresarios im deutschen Handball: Mit der ersten Flensburger Meisterschaft hatte er 2004 Geschichte geschrieben; dreimal holte die SG den Pokal, zweimal erreichte sie das Finale in der Champions League. Zuletzt 2007 gegen den THW Kiel – jenes Duell steht nun im Zentrum der Anklage: Schwenker und Serdarusic sollen es durch Schiedsrichterbestechung verschoben haben.

Auch Details aus Januar und Februar 2009 sind bei Storm hängen geblieben. Für die Gespräche im Hause Serdarusic, der inzwischen einen Vertrag bei den Löwen unterschrieben hatte, konnte der Zeuge sogar die Sitzordnung rekonstruieren.

Umso erstaunlicher, dass er andere Details nicht beantworten konnte. Etwa die zentrale Frage, wann er das erste Mal von Serdarusic von den Bestechungsvorwürfen gehört hatte: nach dem Vertragsschluss am 29. 12. 2008, so Storm nun. Andererseits hatte er schon Tage zuvor, am 23., vor Journalisten geraunt: „Es platzt bald eine Bombe in Kiel.“

Die Frage, wann er was wusste, ist so zentral, weil die Verteidigung ihm eine niederträchtige Erpressung vorwirft: Storm habe den THW Kiel zwingen wollen, die Stars Nikola Karabatic und Vid Kavticnik möglichst günstig nach Mannheim zu lotsen.

Storm bestritt dies vor Gericht ausdrücklich. Am Ende aber verlas die Verteidigung eine Aussage seines Vaters. Demnach hatte Storm im Januar 2009 gesagt, beim THW Kiel hätten sie „irgendwo eine Leiche im Keller. Ich glaube, die Spieler können sie auch für umsonst kriegen.“ Da erstarrte Storm im Gerichtssaal des Landgerichts. Und sah deprimiert aus. ERIK EGGERS