Ein Kabinett für alle – fast

LIBYEN Die neue Übergangsregierung steht: Zwei Frauen, Exrebellen, ein Menschenrechtler. Und keine Islamisten oder Berber

VON BEATE SEEL

Einen Posten gibt es in der neuen libyschen Regierung nicht mehr: das Amt des Informationsministers. Die Abschaffung dieser in arabischen Diktaturen beliebten Behörde für Zensur und Überwachung ist ein Schritt in die richtige Richtung für Libyen.

Das Kabinett sollte nach wochenlangem Tauziehen zwischen Regionen, Stämmen und Milizen ursprünglich am Sonntag vorgestellt werden. Bis es am Dienstag unter Dach und Fach war, hatten sich einige Namen der neuen Minister binnen 24 Stunden geändert.

Die Übergangsregierung unter Abdelrahim al-Kib soll die Geschäfte bis zur Ausarbeitung einer Verfassung und der Abhaltung von Wahlen führen, die innerhalb von zwanzig Monaten geplant sind. Kib, ein Wissenschaftler, der im libyschen Konflikt früh die Seiten gewechselt hatte, war Ende Oktober vom Übergangsrat zum Regierungschef gewählt worden.

Neben Kib und zwei Stellvertretern gehören dem Kabinett 24 Minister an. Einige Posten wurden neu geschaffen, etwa der eines Ministers für die Angehörigen der Opfer des Aufstands und der Verschwundenen sowie für die Förderung der Zivilgesellschaft, die während der Herrschaft Muammar al-Gaddafis kaum existierte.

Mit dem Ministerium für Jugend und Sport wurde der Anwalt Fathi Terbel betraut, dessen Festnahme am 15. Februar Auslöser für die Proteste gegen das Regime war, aus denen sich der bewaffnete Aufstand entwickelte, der Gaddafi schließlich stürzte. Im Kabinett sind auch zwei Frauen, zuständig für Gesundheit und Soziales. Kein Schlüsselressort ist mit einem Islamisten besetzt.

Protest von Berber-Gruppe

„Ganz Libyen ist vertreten“, sagte Kib bei der Vorstellung seines Kabinetts. Doch am Mittwoch wurde erster Dissens angemeldet. In Bengasi protestierten 150 Angehörigen zweier Stämme dagegen, dass ihre Vertreter keine Schlüsselressorts erhalten haben. „Nein zu einer Regierung von Auswärtigen!“ stand laut Reuters auf einem Transparent. Eine Berber-Gruppe rief dazu auf, wegen der Regierungsbildung alle Verbindungen zum Übergangsrat abzubrechen. Die Berber fordern die Anerkennung ihrer Sprache und Kultur und hatten am Sturz Gaddafis maßgeblichen Anteil.

Welcher Art die Probleme mit der Regierungsbildung waren, lässt sich an der Besetzung des Verteidigungsministeriums zeigen. Für diesen Posten war Berichten zufolge ursprünglich ein Islamist vorgesehen, doch er ging an Osama al-Dschuwali, Kommandant der Exrebellen im nordwestlichen Sintan. Die bewaffneten Einheiten in Sintan spielten eine wichtige Rolle bei dem Vormarsch auf die Hauptstadt Tripolis im August. Seither hatten sie wiederholt den Übergangsrat herausgefordert, eigene Straßensperren errichtet und sich geweigert, aus Tripolis wieder abzuziehen. Doch ausschlaggebend war die Gefangennahme von Saif al-Islam, Gaddafis Sohn, durch Dschuwalis Einheiten am vergangenen Samstag.

Vergleichbares spielte sich in der Hafenstadt Misurata ab, die während des Krieges monatelang von Gaddafis Truppen belagert war. Laut New York Times errichteten Milizionäre Barrikaden in der Umgebung Misuratas, um ihre Stellung zu festigen. Die Kämpfer und ihre Familien aus Misurata hatten besonders viele Opfer zu beklagen und bestanden deshalb darauf, in der Übergangsregierung vertreten zu sein. Belohnt wurden sie mit dem Posten des Innenministers: Er ging an Fausi Abdel Aal, der im Krieg zwei Brüder verloren hat. Das Innen- und Verteidigungsministerium sind für die Entwaffnung der Kämpfer und den Aufbau einer Armee und Polizei zuständig.