Daily Dope (522)

Es waren geharnischte Worte, die Colin Moynihan den Chefs der Welt-Antidopingagentur (Wada) entgegenschleuderte. Die Wada habe in den gut zehn Jahren ihres Bestehens versagt, postulierte der Vorsitzende des britischen Olympischen Komitees (BOA) während eines Vortrages im schweizerischen Lausanne. „Die Sanktionen gegen unverbesserliche Betrüger sind so schwach wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr“, stänkerte Moynihan, früherer Sportminister und Mitglied des Oberhauses. Es sei nun an der Zeit, die Arbeit der Wada einer Neubewertung zu unterziehen, forderte Moynihan. Gehe es in dem bisherigen Stil weiter, drohe dem Antidopingkampf ein „dunkles Zeitalter“.

Die Kritik ist ebenso grundsätzlich wie ein aktueller Disput zwischen Wada und BOA. Streitpunkt: lebenslange Sperren von Dopingsündern. Die Briten berufen sich auf eine Regel aus dem Jahre 1992 und sagen: Wer positiv gestestet und länger als sechs Monate gesperrt wurde, darf nicht mehr bei Olympischen Spielen starten. Die Wada wiederum bezieht sich auf ein Urteil des internationalen Sportgerichtshofes Cas von diesem Jahr. Da heißt es: Der lebenslange Ausschluss von den Spielen ist nicht zulässig, weil Sportler damit doppelt bestraft würden. Der Richterspruch wurde in den Wada-Code aufgenommen, und weil das BOA zu den Unterzeichnern des Codes gehört, ist die Wada nun der Meinung, die Briten müssten ihr nationales Sportrecht anpassen. Wada-Chef John Fahey, ein blasser australischer Expolitiker, schickte ein paar Wada-Juristen in die Spur, die verblüffenderweise feststellten, dass es in diesem Streitfall zu einer „Inkompatibilität“ komme. Man legte den Briten nahe, den Klageweg zu beschreiten und sich an den Cas zu wenden.

Einem Urteil dieser höchsten Instanz im Sportrecht sieht die Wada freilich gelassen entgegen. Sie rechnet mit einer Bestätigung des letzten Urteils, das der US-amerikanische Leichtathlet LaShawn Merritt erwirkt hatte. Nach der aktuellen Rechtslage könnte 400-Meter-Läufer Merritt ebenso an Sommerspielen in London (2012) teilnehmen wie die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein an Winterspielen in Sotschi (2014). Gibt es keine gütliche Einigung, könnte das Internationale Olympische Komitee (IOC) in letzter Konsequenz britische Athleten von den Heimspielen aussperren. Aber das ist so wahrscheinlich wie dauerhaft dopingfreier Spitzensport.

MARKUS VÖLKER