UNTERWEGS IM NACHTBUS
: Technik mit Pieps

Ich lache, der Fahrer gluckst, gemeinsam verschwinden wir in der Nacht

Mein Ticket löst sich auf. Vom Rand her schilfert die Beschichtung der Plastikkarte ab, dieses sehr modernen Dings, mit dem ich mich seit über einem Jahr in Bus und Bahn legitimiere. Als Umweltkarten-Abokunde war ich ein stolzer Erstbesitzer.

Der Witz ist: Keiner weiß, ob ich mein Abo bezahle. Das heißt, die BVG weiß es wohl, aber der Busfahrer, dem ich das Ding unter die Nase halte, der nicht: Er hat kein Lesegerät. Er winkt mich einfach durch. Nie war Schwarzfahren so einfach wie heute.

Warum das so ist, weiß auch niemand genau, die BVG hält sich bedeckt. Vielleicht sind die Geräte zu teuer oder sie funktionieren nicht richtig. Die Kontrolettis in der U-Bahn laufen ja mit solchen Scannern herum, und, ja, ein paarmal haben sie mein Kärtchen damit auch geprüft. Meist verzichten sie darauf.

Aber dann das Unfassbare: Ich warte auf den Nachtbus, bis zu dessen Eintreffen laut Haltestellendisplay noch 50 Minuten vergehen. Dass die Tafel gern Unsinn anzeigt, weiß ich. Trotzdem überrascht mich der Bus, als ich erst zweimal von meinem Lahmacun mit scharfer Soße abgebissen habe. Ich wickle ihn wieder ein, verberge ihn in der Manteltasche und halte dem Fahrer mein Kärtchen ins Gesicht.

„Ä-äh“, macht der (also nicht wirklich „Ä-äh“, sondern die kaum zu verschriftlichende Lautfolge, mit der man wackelnden Zeigefingers ein Kind vom Bonbondiebstahl abhalten würde) und weist über meine Schulter hinweg auf eine Haltestange. Dort hängt ein kleines, graues Kästchen, an das ich, so bedeutet er mir, mein Ticket halten soll.

Ich tue wie geheißen, das Gerät denkt kurz nach und piepst dann fröhlich. Ich lache verblüfft, der Fahrer gluckst, gemeinsam verschwinden wir in der Nacht. Das ist nun ein paar Tage her. Seitdem ist mir kein graues Kästchen mehr begegnet. War es ein Traum? Ich sollte mal in meiner Manteltasche nachsehen. CLAUDIUS PRÖSSER