Prinzip Rasenmäher

HAUSHALTSSTREIT Nach dem Scheitern des Superkomitees tritt ab 2013 ein Sparautomatismus ein. Die Republikaner rebellieren

■ Gefahren Laut Verteidigungsminister Leon Panetta werde es mögliche „Gefahren“ für das F-35 Joint Strike Fighter Programm, die Modernisierung von Kampffahrzeugen und -hubschraubern, die europäische „Raketenverteidigung“, unbemannte Aufklärungs- und Spionagesysteme geben.

■ Verzögerungen Zugleich können die Kürzungen laut Panetta auch zu Verzögerungen beim Bau der nächsten Raketengeneration, der nächsten U-Boote und der nächsten Kampffliegergeneration führen. Und sie könnten das komplette Programm für Interkontinentalraketen (ICBM) „eliminieren“. Panetta warnt vor folgendem Szenario am Ende der Kürzungen: „Die kleinste Truppe am Boden seit 1940, die kleinste Anzahl von Schiffen seit 1915 und die kleinste Air Force der Geschichte.“

■ Arbeiter Beschäftigte der Industrie teilen die Befürchtungen Panettas. In York, Pennsylvania, demonstrierten am Montag bereits 300 Arbeiter einer „BAE Systems“-Fabrik, die Panzerfahrzeuge baut, gegen die geplanten Kürzungen.

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Ein paar Stunden vor Mitternacht war das Scheitern amtlich. Am Montagabend teilten die beiden KopräsidentInnen des „Super Comittees“ mit, sie hätten den gesuchten Ausweg aus der Staatsverschuldung nicht gefunden. „Nach Monaten harter Arbeit und intensiver Beratungen“ erklärten der republikanische Abgeordnete Jeb Hensarling und die demokratische Senatorin Patty Murray in Washington, „konnten wir die bedeutenden Differenzen nicht überbrücken“.

Damit ist die erwartete neue Stufe in dem nationalen Schuldendrama in den USA erreicht. Das „Super Committee“ hat seine eigene Existenz dem Scheitern des Kongresses zu verdanken. Als der sich im August nicht auf Wege aus der Staatsverschuldung einigen konnte, delegierte er das Problem in das eigens zu dem Zweck gegründete „Joint Select Committee“ und stattete es mit nie zuvor da gewesenen Vollmachten aus. Bis zum 23. November sollte dieses einen Vorschlag entwickeln, wie in den nächsten zehn Jahren mindestens 1,2 Billionen Dollar gespart werden können. Elf Männer und eine Frau wurden in das „Super Committee“ entsandt“. Sie stammen zu gleichen Teilen aus Repräsentantenhaus, Senat, republikanischer und demokratischer Partei.

Ihre Arbeit stand von Anfang an unter einem ungünstigen Stern. Die Spitzen der republikanischen Partei, die seit November die Mehrheit im Repräsentantenhaus und eine starke Minderheit im Senat hält, hatten schon vor August die Parole ausgegeben, Hauptziel republikanischer Politik müsse es sein, die Wiederwahl von Obama zu verhindern. Das machte Kompromisse schwierig.

Schon bei der konstituierenden Sitzung des „Super Committees“ kündigten republikanische Mitglieder ihr Veto an, falls eine Lösung irgendeine Form von Steuererhöhungen enthalte. Umgekehrt erklärten demokratische Komitee-Mitglieder, sie würden nur zustimmen, wenn nicht nur die Ärmsten des Landes, sondern auch die SpitzenverdienerInnen zur Kasse gebeten würden.

Betroffen wären die ärmsten BewohnerInnen der USA und der militärisch-industrielle Sektor

Das Szenario für die Blockade zeigte sich auch bei den wenigen öffentlichen Sitzungen des Komitees. Dort insistierten die republikanischen Mitglieder auf Einsparungen im Sozialbereich, bei der Sozialversicherung und bei der Gesundheitsversorgung für ältere Menschen. Während die demokratischen Mitglieder vorschlugen, die von Bush eingeführten Steuersenkungen zwar für mittlere und niedrige Einkommen beizubehalten, jedoch an der Spitze abzuschaffen. Dem Sender CNN sagte Kopräsidentin Patty Murray: „Es gibt eine Kluft in dem Komitee. Es geht um die Frage der Verteilung der Opfer. Wir wollen, dass Amerikaner, die mehr als eine Million Dollar pro Jahr verdienen, ihren Beitrag leisten. Aber kein einziger Republikaner war bereit, dem zuzustimmen.“ Umgekehrt machte der Republikaner aus Arizona, Jon Kyl, die demokratischen Mitglieder des Komitees für das Scheitern verantwortlich. „Sie waren zu keinem Einschnitt bei Sozialversicherung und Medicare bereit“, sagte Kyl. Einer der Demokraten aus dem „Super-Committee“, der ehemalige Präsidentschaftskandidat John F. Kerry, nannte diese Aussage: „nicht wahr.“ Kerry fügte nach der Bekanntgabe des Scheiterns seines Committees hinzu: „Wir werden den Job erledigen. Entweder vor den Wahlen im Jahr 2012. Oder danach“.

Nach der ursprünglichen Planung des Kongresses setzt nach dem Scheitern des Komitees ein Automatismus ein. Dieser Plan B regelt, dass die angestrebten 1,2 Billionen Dollar durch Kürzungen erzielt werden, die zu gleichen Teilen bei zivilen und bei militärischen Ausgaben stattfinden. Beginn dieser Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip soll Anfang 2013 sein. Betroffen wären einerseits die ärmsten BewohnerInnen der USA, darunter die Empfänger von Lebensmittelmarken, von Wohnungsbeihilfen und von staatlicher Beihilfe zur Gesundheitsversorgung, aber auch der militärisch industrielle Sektor. Seine Sprecher haben in den vergangenen Wochen, als sich das Scheitern der Superkommission abzeichnete, bereits erklärt, sie würden die Einschnitte in das Militärbudget nicht hinnehmen. Sie haben Widerstand gegen die von ihrem eigenen Kongress aufgestellte Sparregel angekündigt. Verteidigungsminister Leon Panetta nennt diese Kürzungen im Militärhaushalt „vernichtend“. Er erklärt, das Militär sei nicht primär für das Defizit verantwortlich und warnt, die „globale Leadership“ der USA sei gefährdet.

Präsident Barack Obama, der sich nach dem Scheitern des „Super Committees“ erstmals wieder zur Schuldenfrage zu Wort gemeldet hat, warnte, dass er sein Veto einlegen werde, falls der Kongress nachträglich den Sparautomatismus umgehen wolle. „Es wird nicht einfach“, sagte Obama in einem Versuch, den gelähmten Kongress doch noch einmal zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, „aber die einzige Möglichkeit, diese Einschnitte zu vermeiden, wäre ein ausgeglichener Plan, der das Defizit um 1,2 Billionen reduziert. Der Kongress hat noch ein Jahr Zeit.“