Der Maßstab der Helfer

AFRIKA LKWs aus Draht, Hubschrauber aus Badelatschen: Die Bremer Ausstellung „Global Players“ zeigt das selbst gebastelte Spielzeug afrikanischer Kinder – und drückt dabei ziemlich auf die Tränendrüse

Jonas baut Fußbälle aus Stoffresten und träumt von einer Karriere als Fußball-Star

Bei ihrem Treffen in Liberias Hauptstadt Monrovia trug der 15-jährige Junge eine dunkle Sonnenbrille und eine grell besprühte Kalaschnikow. Der 15-Jährige hatte im liberianischen Bürgerkrieg gekämpft und traf nun kurz nach dessen Ende 2003 die Journalistin Birgit Virnich. Auf die Frage, wie er denn heiße, antwortete er: „General Scarborough.“

Birgit Virnich war die Begegnung nicht ganz geheuer, schließlich musste sie annehmen, dass der Junge bereits mehrere Menschen getötet hatte. Neben der Kalaschnikow hatte der Junge einen kleinen, selbst gebauten Hubschrauber aus Blech und Badelatschen-Schaumstoff dabei. Den hat Birgit Virnich dem Jungen abgekauft. Derzeit ist er in der Ausstellung „Global Players“ im Bremer Übersee-Museum zu sehen.

Virnich war lange Afrika-Korrespondentin der ARD und begann irgendwann, das selbst gebastelte Spielzeug afrikanischer Kinder zu sammeln. Aus ausgewählten Stücken hat sie eine Ausstellung konzipiert, die die Exponate in Vitrinen präsentiert. An jeder Vitrine befinden sich zudem Texttafeln mit der zum Spielzeug gehörigen Geschichte. Außerdem gibt es Informationen zu Einwohnerzahl, Lebenserwartung und Schulbildung des jeweiligen Herkunftslandes.

Beim Spielzeug handelt es sich meist um LKWs, Boote, Flugzeuge oder Motorräder aus Draht, Blechdosen und Kronkorken. Die Kinder bauen, was sie sehen und was sie beeindruckt: Moussa aus Mali etwa will LKW-Fahrer werden, nachdem er mit Insektiziden beladene Laster im Einsatz gegen eine Heuschrecken-Plage gesehen hat. Und der 12-jährige Laity Boden baut Rennautos aus Wasserflaschen: Er kommt aus einem Vorort des senegalesischen Dakar und hat die dortige Rallye zum Vorbild.

Organisiert hat die Ausstellung der Verein Gemeinsam für Afrika – auch mit dem Ziel, die Besucher zum Spenden zu bewegen. Dementsprechend im Vordergrund stehen die Hinweise auf Armut und Perspektivlosigkeit. Und dementsprechend deutlich wird auf die Tränendrüse gedrückt: Der Hubschrauber-Erbauer „General Scarborough“ beispielsweise, ist da zu lesen, würde mit seinem Hubschrauber „am liebsten dem Chaos und der Gewalt entschwinden“. Und der 8-jährige Jonas aus Tansania, der Fußbälle aus Stoffresten baut, träume von einer Karriere als Fußball-Star.

Zum Glück gibt es auch Fotos, die die afrikanischen Kinder nicht beim Leiden zeigen, sondern dabei, wie sie mit ihren selbst gebauten Spielsachen durchaus glücklich sein können. Damit wird deutlich, was Helfende und ihre Ausstellungen zumal im Zusammenhang mit anderen Kulturen gerne vergessen: Dass sie die Verhältnisse vor Ort nach ihren eigenen Maßstäben bewerten. Und damit das durchaus edle Ansinnen mit einem ziemlich unedlen Zentrismus kombinieren. KLI

Global Players – Spielzeug aus Afrika: bis 15. Januar, Bremen, Übersee-Museum