Ein Langweiler – aber aus Prinzip

Große Worte finden sich wenige, wenn es darum geht, den spanischen Wahlsieger und künftigen Regierungschef Mariano Rajoy zu beschreiben. „Er redet, als würde er eine Unterrichtseinheit wiederholen“, schrieb El País. Als „Meister der Zweideutigkeit“ sehen andere den 56-Jährigen, der im dritten Anlauf den Einzug in den Regierungspalast schafft.

Rajoys steile Parteikarriere begann 1990 im nordwestlichen Galicien, als Zögling des konservativen Parteigründers und ehemaligen Ministers der Franco-Diktatur, Manuel Fraga. Ausdauer, Überlebenswille oder einfach nur Geduld zeichneten Rajoy aus. 2003 rückte er an die Parteispitze, dieses Mal dank der Protektion von Premier José María Aznar. Alle große Krisen hatte Rajoy für seinen Herrn bewältigt, auch wenn er sich dabei oft an den Rand der Lächerlichkeit brachte.

Bei der Wahl 2004 sah er schon wie der strahlende Wahlsieger aus. Dann explodierten die Bomben in den Pendlerzügen in Madrid. Der noch regierende Aznar machte aus wahltaktischen Gründen die baskische ETA verantwortlich und nicht al-Qaida. Rajoy zahlte für diese Lüge. Der Sozialist José Rodríguez Zapatero gewann 2004 und auch wieder 2008.

Der in einer Kleinstadt aufgewachsene Vater zweier Kinder stellt sich gerne als „normaler Bürger“ dar und bezeichnet sich als „absolut vorhersehbar“. Und doch kann niemand sagen, wofür Rajoy steht. Politische Alternativen legte er auch jetzt nicht vor. Den Wahlkampf bestritt er ohne wirkliches Programm. Nicht einmal ein Schattenkabinett präsentierte er. Und so manchem macht die Vorstellung, unter einer Regierung Rajoy leben zu müssen, Angst. Denn es ist völlig unklar, ob Rajoy seiner radikal-religiösen Basis Rechnung trägt, die Abtreibung verbieten und die Homoehe abschaffen wird. REINER WANDLER