Unglaubwürdige Aufklärer

DAILY DOPE (692) Der Deutsche Fußball-Bund versucht die Freiburger Dopingbefunde zu relativieren. Ehemalige und aktive Profis verweigern sich bislang einer ernsthaften Debatte

BERLIN taz | Reichlich Zeit hat der Deutsche Fußball-Bund verstreichen lassen, bevor er erstmals mit einem öffentlichen Statement auf die dopinghistorisch einmaligen Enthüllungen reagierte. Am Montagmittag hatte ein Mitglied der Untersuchungskommission, die sich mit der Dopingvergangenheit der Freiburger Universität beschäftigt, erklärt, man verfüge über Belege von systematischem Anabolikadoping beim VfB Stuttgart und punktuell beim SC Freiburg Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre.

Am Dienstagabend dann forderte DFB-Vizepräsident Rainer Koch auf der verbandseigenen Homepage Transparenz und Offenheit in Sachen Doping ein. Der DFB wolle erst die detaillierten Berichte der Kommission abwarten, bevor er sich äußere. Dieses Recht muss man den Funktionären für eine sachliche Aufarbeitung der Vorfälle gewiss einräumen.

Umso erstaunlicher war aber, dass Koch im gleichen Atemzug höchst unsachlich auf einen Vorfall verwies, mit dem er offenbar die wissenschaftlichen Ergebnisse von Freiburg relativieren wollte. Im Rahmen eines Forschungsprojekts, erinnerte der Funktionär, wurde im Jahr 2011 das Ergebnis veröffentlicht, drei deutsche Nationalspieler wären bei der WM 1966 gedopt gewesen. Der renommierte Juraprofessor Martin Nolte sei aber in seiner Studie zu dem Schluss gekommen, es habe kein Dopingvergehen gegeben. Koch vergaß dabei zu erwähnen, dass der DFB damals die Studie von Nolte in Auftrag gegeben und standesgemäß honoriert hat.

Die Fußballfamilie tut sich sichtlich schwer im Umgang mit den Befunden von unabhängigen Wissenschaftlern. Der einstige VfB Stuttgart-Trainer Jürgen Sundermann geißelte die Freiburger Forschungsergebnisse bereits als „Schwachsinn“. In einem ARD-Beitrag erklärte der Sportdirektor des VfB Stuttgart,Robin Dutt, die altbekannte Parole: Doping mache in einer „Mischsportart“ wie Fußball keinen Sinn. Und obwohl diese Aussage in demselben Bericht von dem Dopingexperten Professor Dr. Treutlein, der auch der Freiburger Untersuchungskommission angehört, als unhaltbarer Unsinn bezeichnet wird, bestärkte wenig später der ARD-Experte und frühere Nationalspieler Mehmet Scholl die Worte von Dutt. Und auch Jürgen Klopp, der Coach von Borussia Dortmund, versucht sich in der Runde als Aufklärer: „Also, Fußballer sind in dem Bereich wirklich nicht systematisch unterwegs.“ Die Ereignisse in Süddeutschland deklariert er zu Einzelfällen: „Ich glaube, die haben da ein bisschen vor sich hin getestet.“ Gerade in der Verweigerung einer ernsthaften Debatte macht sich der deutsche Fußball nicht nur lächerlich, sondern auch höchst unglaubwürdig. JOHANNES KOPP