Trockenholz schmeckt besser

Holzwürmer kuscheln gern im Holz von Wohnungen und Gebäuden. Die Larven wollen nur fressen, bis sie sich verpuppen. Das kann aber bis zu zehn Jahre dauern und großen Schaden anrichten. Ob wirklich der Wurm im Holz ist, erkennen nur Experten

Vorbeugen kann man kaum: Wenn er frisches Holz darunter riecht, frisst sich der Wurm selbst durch Grundierungen

VON JAN DREYLING

Viele Hamburger wohnen in Altbauwohnungen mit einem schönen, alten Holzdielenboden. Das ist sehr gemütlich, aber unter den Dielen lauert oft noch ein ganz anderer Bewohner: der Holzwurm.

Dabei kann man an der Oberseite der Dielen oft gar nicht erkennen, dass das Holz wurmstichig ist. Beim Abschleifen und Renovieren der Holzböden kann es aber zur großen Überraschung kommen: Da öffnet sich eventuell ein Mikrouniversum im Holz. Denn der Holzwurm legt gern vielfach verästelte Gänge an. Dabei ist das Holz fressende Tier in Wirklichkeit gar kein Wurm, sondern die zwei bis drei Millimeter große Larve des Gemeinen Nagekäfers.

Die Larven vieler Arten von Käfern und Wespen haben sich schon immer gern im Holz eingenistet. Neben den Holzschwämmen gehören sie zu den am häufigsten auftretenden Holz zerstörenden Organismen. Der Holzwurm ist allerdings am weitesten verbreitet. „In acht von zehn Fällen haben wir es bei Insektenbefall mit dem Holzwurm zu tun – sei es bei Treppen, Möbeln, Fußböden oder Dachbalken“, sagt Heiko Krause, Mitarbeiter eines Hamburger Holz- und Bautenschutzbetriebs.

Neben dem Holzwurm frisst sich vor allem der Hausbock (nicht Holzbock!) durch Teile menschlicher Gebäude. Er liebt Nadelholz und haust deshalb oft im Gebälk von Dachstühlen. In der freien Natur sind die Käferlarven dagegen seltener anzutreffen: Sie finden Dielen und Dachbalken sehr viel schmackhafter. Denn die Larven lieben Trockenholz und arbeiten meist verdeckt. Es wird also wohl kaum passieren, dass einem eine Larve oder ein Käfer „live“ über den Weg läuft. Die Käferweibchen legen ihre Eier beispielsweise in die Fugen der Holzdielen. Und die geschlüpften Larven bohren sich schnell ins Innere des Holzes, um sich satt zu fressen.

Das Larvenstadium kann je nach Käferart und Lebensbedingungen allerdings bis zu zehn Jahre dauern. Ähnlich wie die „kleine Raupe Nimmersatt“ im Kinderbuch müssen sie sich bis zur Verpuppung regelrecht vollfressen. Am Ende der Metamorphose schlüpft der Käfer – meist zur Sommerzeit, um sich vor seinem Tod noch fortzupflanzen. Erst dann kann auch der Laie erkennen, ob in seinem Haus Holzwürmer weilen. Denn neben den ein bis zwei Millimeter großen Ausfluglöchern sind vor allem die Holzmehlhäufchen ein sicheres Anzeichen auf die kleinen Mitbewohner.

Wenn ein Mieter einen solchen Schädlingsbefall in seiner Wohnung oder seinem Haus vermutet, sollte er zügig einen Experten zu Rate ziehen. Insbesondere in älteren Häusern, die vor den fünfziger Jahren erbaut worden sind, kann sich der Insektenbefall schon lange ausgebreitet haben. Die Tragfähigkeit von Decken- und Dachbalken kann sich so im Laufe der Jahre verschlechtert haben. Daher rät der Deutsche Holz- und Bautenschutz Verband zu einer ausführlichen Begutachtung.

Auch die nachfolgenden Maßnahmen sollten wohl überlegt sein. „Aufgrund der vielen verschiedenen Schädlingsarten, Materialien und Umgebungsbedingungen sind die einzelnen Fälle oft sehr unterschiedlich zu behandeln“, sagt Bruno Bojarzin, der lange als Sachverständiger im Hamburger Raum tätig war.

Aus seiner Erfahrung im Holz- und Bautenschutz weiß Bojarzin, dass die Käfer im Sommer zur Flugzeit neue Objekte befallen können. Der Holzwurm kommt jedoch auch mit bereits betroffenen Holzmöbeln in die Wohnstube. Vor allem alte Möbel sind oft mit kleinen Löchern übersäht. Die Ausgänge der Käferkanäle richten dabei aber höchstens einen ästhetischen Schaden an.

Befällt der Wurm aber das Holz des Gebäudes, können die Schäden schon gefährlicher werden. Bojarzin hat in den letzten 50 Jahren viele Dachstühle gesehen, die total zerfressen waren und jederzeit hätten einstürzen können. Früher hat man das Insekt meist mit Chemie bekämpft. Heute ist das für Mensch und Holz schonendere Heißluftverfahren üblich. Dabei wird das verbaute Holz auf bis zu 60 Grad Celsius erhitzt. Eine Temperatur die für Eier und Larven des Käfers das Ende bedeutet.

Vorbeugende Maßnahmen für die Hausbewohner gibt es wenige. Denn der Wurm frisst sich selbst durch Holzgrundierungen, wenn er frisches Holz darunter riecht.

Ungefähr 90 Prozent der Häuser Hamburgs enthalten den Baustoff Holz: Fenster, Türen und Rahmen oder Holzdielen, Parkett, Holzdecken oder Dachstühle können ein gefundenes Fressen für die Insekten sein. Wegen des feuchten, milden Klimas ist Hamburg für Holzschädlinge besonders anfällig. Neben den Insekten fühlen sich vor allem die Schwämme in der Feuchtigkeit wohl. Holzschwammschäden sind schwer erkennbar und können sich über das Mauerwerk auf das ganze Haus ausbreiten. „Etwa 30 Prozent unserer Aufträge im Holzschutz gehen auf Insekten zurück. In einem Monat begutachten wir durchschnittlich 20 Objekte, wovon wir um die acht Fälle akut behandeln müssen“, meint Krause über die Art der Aufträge in Hamburg.

Da Holz immer schon ein attraktiver und warmer Baustoff war, wird man mit den holzzerstörenden Organsimen wohl auch in Zukunft zusammenleben. Experten für Holz und Bautenschutz werden gefragt bleiben. Deswegen wurde dieser Beruf im August dieses Jahres zum Lehrberuf erhoben. Ab jetzt kann man offiziell einen Gesellenbrief als Fachkraft für Holz- und Bautenschutzarbeiten erhalten und einen Abschluss als Holz- und Bautenschützer machen.

Derzeit gibt es in Hamburg sechs geschulte Sachverständige und sieben qualifizierte Fachfirmen, die vom Deutschen Holz- und Bautenschutz Verband anerkannt sind.