WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Die linke Flut, ganz groß

Welche Feinde? Rechte, linke, mittige?

Einer Studie zufolge glauben mehr als 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass in Deutschland keine echte Demokratie herrscht. Schuld daran trägt der starke Einfluss der Wirtschaft auf die Politik, die mehr zu sagen habe als der Wähler. Das jedenfalls will eine Studie der Meinungsforscher von infratest dimap herausgefunden haben, die im Auftrag des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin mit rund 1.400 Teilnehmern durchgeführt und am vergangenen Montag veröffentlicht wurde.

Jeder Dritte in der Republik ist demnach überzeugt, dass der Kapitalismus zwangsläufig zu Armut und Hunger führt. Und, kaum zu glauben: Den Kommunismus und den Sozialismus halten 37 Prozent aller West- und 59 Prozent aller Ostdeutschen für eine gute Idee, die leider nur schlecht ausgeführt wurde.

Die Studie des Forschungsverbunds liegt nun als Buch vor (Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder: „Gegen Staat und Kapital – für die Revolution! Linksextremismus in Deutschland – eine empirische Studie“, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2015). Und das Werk überrascht ebenso, wie es verstört. Wir erfahren: Im Westen haben 14 Prozent, in Ostdeutschland sogar 28 Prozent der Einwohner eine linksradikale oder linksextreme Grundhaltung. Wobei gilt: Die Radikalen, das sind die, die für die Überwindung des Kapitalismus sind, dabei aber keinesfalls verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Linksextreme dagegen wollen explizit den freiheitlichen Rechtsstaat zerschlagen und die demokratischen Grundrechte abschaffen.

Die Pressemitteilung zur Buchvorstellung hilft dann auch nicht wirklich weiter. Bitte aufmerksam lesen: „Der von uns favorisierte dynamische Extremismusbegriff bedeutet die kategoriale Ablehnung eines statischen Begriffs der ‚Mitte‘. Wenn die (politische) Mitte keine Kritik und keine abweichende Meinung zulässt, wird sie selbst extremistisch. Links und rechts (und „Mitte“) sind also keine absoluten, sondern nur relative Begriffe. Als extremistisch gilt uns, wer von der anthropologischen Ungleichheit ausgeht (Rechtsextremismus), den Vorrang des Individuums im demokratischen Pluralismus zugunsten einer kollektiven Homogenitätsvorstellung ablehnt (Linksextremismus), oder wer verfassungskonforme radikale Positionen ausgrenzen will (Extremismus der Mitte)“. Wie bitte? Links und rechts, oder vielmehr lechts und rinks? Und eine extremistische Mitte? Und schließlich: „Eine wehrhafte Demokratie muss den Feinden einer offenen Gesellschaft entschieden entgegentreten.“ Welche Feinde? Rechte, linke, mittige? Uff, erst einmal durchatmen.

■ Der Autor ist Redakteur der taz