Wahlschlappe fordert Opfer

RÜCKTRITT Der Fraktionschef der Grünen im Berliner Landesparlament, Volker Ratzmann, gibt entnervt auf. Die Parteilinke sah sich von ihm nicht vertreten und hatte mit eigenen Initiativen im Parlament gedroht

BERLIN taz | Der nach der Landtagswahl wieder entflammte Flügelstreit bei den Berliner Grünen hat ein prominentes Opfer gefunden. Der seit 2003 amtierende Fraktionschef Volker Ratzmann (51) trat am Dienstag zurück. Ratzmann war zwar wie seine Kovorsitzende Ramona Pop vor drei Wochen wiedergewählt worden. Die Parteilinke in der Fraktion aber akzeptierte dieses Ergebnis nicht, sah sich von beiden nicht vertreten und forderte einen Platz in der Doppelspitze. Andernfalls hatte sie mit eigenen Initiativen im Parlament, unabhängig von der Fraktionsspitze, gedroht. Vor einer Woche erst hatte die Fraktion zwei Schlichter benannt, die bis Monatsende vermitteln sollten.

Die Parteilinke hält Ratzmann und Pop unter anderem zu große Nähe zur CDU vor, die für ihn auch ein möglicher Koalitionspartner gewesen wäre. Zwist gab es auch bei der Integrationspolitik und in der Frage, wie mit Zwangsräumungen von besetzten Häusern umzugehen ist.

Ratzmann erklärt am Dienstag, er bedaure keine Minute seiner achtjährigen Amtszeit. Er rechnete sich an, dass seine Partei in dieser Zeit von 9 auf jetzt über 17 Prozent der Wählerstimmen gewachsen sei. Er habe dazu beigetragen, dass die Grünen sich aus der Umklammerung der SPD gelöst hätten und nun eine eigenständige Partei seien. Wer Ratzmann folgen soll, blieb bis Redaktionsschluss offen.

Ratzmann galt bis Ende September noch als möglicher Innensenator einer rot-grünen Landesregierung. Er wäre der erste Grüne in einem solchen Amt bundesweit gewesen. Anfang Oktober aber platzten Koalitionsgespräche mit der SPD. Die Sozialdemokraten wollten nun in der Nacht zu Mittwoch ein Bündnis mit der CDU unterschriftsreif machen.

Die Grünen hatten bei der Abgeordnetenhauswahl zwar mit 17,6 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis erzielt. Noch im Mai hatte sie in Umfragen aber bei 30 Prozent gelegen. Renate Künast, Spitzenkandidatin der Grünen, hatte sich nach der Wahl wieder auf ihre Tätigkeit als Fraktionschefin im Bundestag konzentriert. Sie bedauerte Ratzmanns Rücktritt: „Er hat mit seiner Politik der Öffnung wesentlich zum Wachstum der Grünen beigetragen“. STEFAN ALBERTI