Brahms-Noten jetzt digital

Brahms boomt? Die Nutzerzahlen werden es zeigen. Die Voraussetzungen sind jedenfalls gut: Aus 11.000 Einzelseiten Brahms‘scher Erstdrucke besteht der jüngst eröffnete digitale Notenschrank des Brahms-Instituts an der Musikhochschule Lübeck.

Gefördert hat das 90.300 Euro teure Projekt der Schleswig-Holstein Fonds, und das nicht ohne Hintersinn: „Erstens wollen wir die Originale schonen. Denn wenn alle, die auf unsere Internet-Seiten zugreifen, aus unseren Originalen kopierten, wären die längst zerfallen“, sagt Musikbibliothekar Stefan Weymar.

Abgesehen davon wolle man die Erstausgaben, die Brahms wichtiger fand als seine Autographen, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Die bestehe zu einem kleinen Teil aus Wissenschaftlern – etwa jenen, die die Kieler Brahms-Gesamtausgabe edieren – und zu 98 Prozent aus Musikern. Denn vor allem die Klavierbearbeitungen, die Brahms von seinen Chor- und Orchesterwerken erstellte, könne man nicht mehr kaufen. „Die im 19. Jahrhundert übliche Praxis, sich die großen Werke mit Hilfe eines Klavierauszugs anzueignen, ist aus der Mode gekommen. Deshalb werden diese Ausgaben nicht mehr aufgelegt. Die gibt es nur noch bei uns“, sagt Weymar. Und die Nachfrage steige stetig: „Die Ensembles müssen sich spezialisieren und brauchen Nischen. Da kann unsere digitale Bibliothek eine große Hilfe sein.“

Die soll in den nächsten Jahren erweitert werden, verfügt das 1990 gegründete Brahms-Institut doch über die weltweit größte private Brahms-Sammlung, die neben Autographen auch Fotos, Briefe und Programmkonvolute enthält. Letztere sollen als nächste digitalisiert werden – vor allem, weil sie Aufschlüsse über die Aufführungspraxis des 19. Jahrhunderts vermitteln. Denn „können Sie sich vorstellen, zwischen den Sätzen von Brahms‘ Deutschem Requiem eine Violinsonate von Bach zu hören? Das würde heute niemand mehr wagen“, freut sich Weymar. „Da ist noch viel Stoff für Musiksoziologen.“ PS

Im Internet: www.brahms-institut.de