Anschlag in Baghlan

Dem Attentat auf Parlamentarier im Norden Afghanistans fallen Dutzende Menschen zum Opfer

PUL-I-CHUMRI/BERLIN afp ■ Bei einem Selbstmordanschlag auf eine afghanische Parlamentsdelegation, die eine mit deutschen Mitteln geförderte Zuckerfabrik im Norden des Landes besichtigte, sind am Dienstag mindestens 40 Menschen getötet und 120 verletzt worden. Unter den Toten sind mindestens sechs Abgeordnete des Wirtschaftsausschusses im Kabuler Parlament. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand.

„Wir haben in vier Krankenhäusern 120 Verletzte und 40 Tote gezählt“, sagte der Chef der Provinzkrankenhäuser von Baghlan, Jussuf Fais, am Abend. Eine rund 30-köpfige Delegation besichtigte gerade die Zuckerfabrik in der Provinz, als der Selbstmordattentäter seinen Sprengsatz zündete.

Unter den Opfern waren nach Angaben von Abgeordneten auch Kinder, mehrere Leibwächter, sowie der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Ex-Handelsminister Mustafa Kasimi. Nach den Worten des Abgeordneten Schukria Baraksai befanden sich die rund 18 Vertreter des Wirtschaftsausschusses unter Leitung ihres Vorsitzenden Kasimi auf Besichtigungstour durch die normalerweise eher ruhige Provinz Baghlan.

Die Zuckerfabrik liegt nahe der Ortschaft Pul-i-Chumri, etwa auf halber Strecke zwischen Kabul und dem Bundeswehrlager in Masar-i-Scharif. Augenzeugen berichteten von einem Blutbad. Überall am Tatort hätten verstümmelte Körper gelegen, der Boden sei mit Blut überströmt gewesen, erzählten sie den afghanischen Medien. Viele der Verletzten schwebten demnach in Lebensgefahr. Aus Kabul wurde ein Hubschrauber zur weiteren Bergung von Opfern entsandt. Auch die Internationale Schutztruppe Isaf beteiligte sich an der Notfallversorgung der Verletzten.

Unklar war zunächst, wer hinter dem Anschlag, einem der schwersten in diesem Jahr, stand. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Selbstmordanschläge vervielfacht, allein in diesem Jahr waren es bereits mehr als 120. Für die meisten Anschläge werden Rebellen des Ende 2001 gestürzten Taliban-Regimes und Verbündete von al-Qaida verantwortlich gemacht. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed sagte jedoch am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP ausdrücklich: „Wir waren es nicht.“

Präsident Hamid Karsai, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (beide SPD) verurteilten den Anschlag scharf.

In einer ersten Reaktion erklärte Bundesaußenminister Steinmeier (SPD), die Stoßrichtung des Terroranschlags sei klar. „Es sollen jene abgeschreckt werden, die sich für den Wiederaufbau des Landes einsetzen und ihrem Land eine echte Zukunftsperspektive eröffnen wollen“. Dem dürfe nicht nachgegeben werden, forderte der Minister. „Die Menschen in Afghanistan setzen darauf, dass wir sie nicht alleine lassen.“

Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach von einem „widerwärtigen und abscheulichen Verbrechen“, das sich „gegen die Selbstbestimmtheit der Menschen“ richte. Die Zuckerfabrik sei ein von Deutschland gefördertes Entwicklungsprojekt: Mit dem Anbau und der Verarbeitung von Zuckerrüben wurden laut der Ministerin bisher mehr als 2.500 Bauern eine Einkommensquelle eröffnet, durch die sie beispielsweise vom Mohnanbau unabhängig werden.