Der Unerbittliche

Journalisten werden lyrisch, wenn sie über ihn schreiben. „Superhirn der musikalischen Avantgarde“, hieß es in der Zeit und die Begegnungen mit dem 89-jährigen Komponisten und Dirigenten sind erfüllt vom Wissen, einer Legende – dies ist in Großbuchstaben zu denken – zu begegnen. Nicht auszuschließen, dass die Entscheidung, Pierre Boulez den Hamburger Bach-Preis zu verleihen, sich auch diesem Wunsch verdankt: teilzuhaben an dieser Größe.

Die liegt bei Boulez gleichermaßen in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Beim der von ihm mitbegründeten Lucerne Festival Academy studiert er mit Nachwuchsmusikern Stücke der Moderne ein und es steht zu hoffen, dass er sie mit mehr Nachsicht behandelt als Komponisten-Kollegen, die er in den 50ern verhackstückte. „Schönberg ist tot“, schrieb er, als der ihm das Prinzip der Zwölftonmusik zu lasch handhabte, während sich Hans Werner Henze daran erinnerte, wie Boulez gemeinsam mit Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono nach wenigen Takten die Uraufführung eines seiner Stücke verließ.

„Wir wollten ein neues Evangelium bringen“, so erklärte es Boulez gegenüber dem Zeit-Journalisten. Ursprünglich hatte der französische Industriellensohn Mathematik und technische Wissenschaften studieren wollen, entschied sich dann aber für die Musik und wurde seinerseits Schüler eines Großen, nämlich Olivier Messiaens in Paris. 1954 wurde er Gastdirigent des Südwestfunk-Orchesters in Baden-Baden, wo er noch lebt, gearbeitet hat er mit nahezu allen großen Orchestern, wurde Nachfolger von Leonard Bernstein in New York, entwaberte Wagner in Bayreuth und fand dazwischen Zeit, sieben Kompositionen von Frank Zappa zu dirigieren.

Den eigenen Stücken bringt Boulez so wenig Nachsicht entgegen wie denen anderer, einige Frühwerke zog er zurück, andere hat er immer wieder überarbeitet. Nun ehrt ihn der Hamburger Senat als „herausragenden Vertreter der musikalischen Avantgarde“.  GRÄ