BIS SO EIN TERRORANSCHLAG SEINEN SCHRECKEN ENTFALTET, KANN ES DAUERN. MANCHMAL IST MAN DA SCHON ÜBER DIE STOREBELTBRÜCKE
: Warme Gedanken

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Søren Rasted von der ehemaligen Popband Aqua – die mit „Barbie-Girl“ – moderiert eine Fernsehshow, in der sich Kinder wie Erwachsene schminken. „Na, Line, was willst du den nächsten Gewinnern unserer Talentshow sagen?“, fragt der ehemalige Sänger die ehemalige Gewinnerin. „Ihr müsst froh sein“, sagt die Zehnjährige unter fingerdickem Make-up, „entspannt, ihr selbst und einfach nur im Hier und Jetzt.“

Jemand schaltet mit der Fernbedienung. „Wie bitte?“, fragt die Schwägerin im Wohnzimmer. „Wer war das? Was für ein Filmemacher?“, fragen wir, nehmen meiner Nichte das iPad weg. Nur zwei Stunden ist der Mord her, schon ist der Wikipedia-Eintrag des Toten redigiert: Vergangenheitsform.

Im Fernseher steigt jetzt Helle Thorning-Schmidt in Østerbro aus einem schwarzen Auto und hält eine Rede vor dem „Krudtønden“, was „Schießpulvertonne“ heißt, wegen der hitzigen Debatten, die dort stattfinden sollen. Sie sende „warme Gedanken an die Hinterbliebenen“, sagt die Ministerpräsidentin, und verurteile die zynische Gewalttat. Die Nichte schaltet zurück, fünf Teenagerinnen tanzen, teils auf dem Kopf, und singen: „Sag mir nicht immer, was ich nicht machen darf, ich bin ein freches Ding.“

Im Autoradio hält Königin Margarete eine Rede. „Welche zwei Toten?“, frage ich – und mich selbst, ob wir gleich über die Storebeltbrücke werden fahren können. Omar Abdel Hamid El-Hussein hat seine brutale Tat fortgesetzt. Als ich höre, dass sie ihn vor seiner Wohnung erschossen haben, bin ich beruhigt.

„Puhä!“, sage ich zu meiner Schwiegermutter, „Wir sind wieder zuhause“, und: „Furchtbare Sache in Kopenhagen.“ – „Ja, ich mag gar nicht mehr den Fernseher anschalten“, sagt sie. „Aber weißt du was? Da haben wir jetzt unseren Terrorangriff. Zwei Tote. Irgendwie ist bei uns immer alles so klein und popelig.“

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle.