Vier Senatoren gegen Gewalt

Senat stellt sein Konzept zur Bekämpfung der Jugendkriminalität vor. Vor allem die Schulen werden stärker für die Gewaltprävention in die Verantwortung genommen. GAL fordert Bewaffnungsverbot

VON ELKE SPANNER

Der Senat wirkt getrieben. Am Wochenende gab es wieder eine blutige Messerstecherei auf dem Kiez, Opfer ist noch dazu der Sohn eines Bezirksamtsleiters. Deshalb schickte der Senat gestern gleich vier SenatorInnen ins Rennen, um sein „Handlungskonzept gegen Jugendgewalt“ zu präsentieren. Das „Neun-Säulen-Konzept für ein intensives und vernetztes Handeln“ nimmt vor allem die Schulen stärker in die Verantwortung für die Gewaltprävention. Der Senat plant unter anderem, die Schulpflicht konsequenter durchzusetzen sowie die Pflicht für Lehrer, bestimmte Straftaten von Schülern der Polizei anzuzeigen.

Innensenator Udo Nagel betonte vorweg, dass die Jugendkriminalität nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit stetig ansteige. In den vergangenen zwölf Jahren habe sich die Zahl der Fälle nahezu verdoppelt, von 44.000 auf 88.000 pro Jahr. In Hamburg habe die Polizei eine Steigerung von 2.000 auf 4.000 Fälle registriert. Da Jugendliche, die später straffällig werden, zumeist schon im Kindesalter auffällig geworden seien, soll künftig früher interveniert werden.

Der Senat will deshalb stärker darauf achten, dass der Schulpflicht genüge getan wird. Trifft die Polizei schulpflichtige Kinder zur Unterrichtszeit außerhalb der Schule an, soll sie diese ansprechen und in der zentralen Schülerdatei überprüfen, ob sie als regelmäßige Schulschwänzer bekannt sind. Falls ja, sollen sie mit dem Streifenwagen zum Unterricht gebracht werden. „Das Schuleschwänzen ist häufig der Beginn einer kriminellen Karriere“, sagte Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig. „Wir werden jetzt nicht mehr weggucken.“

Allerdings sind Schulen oftmals auch der Ort, an dem kriminelle Karrieren gerade beginnen. Um der steigenden Gewalt auf den Schulhöfen Einhalt zu gebieten, hat der Senat eine Anzeigepflicht für die Lehrer und Schulleitungen geschaffen: Bei bestimmten Straftaten wie Abziehdelikten, schweren Körperverletzungen, schweren Diebstählen und dem Einsatz von Waffen müssen die Lehrer künftig Anzeige bei der Polizei erstatten. Dinges-Dierig überraschte gestern mit der Auskunft, dass die Entscheidung darüber bislang offenbar den Schulen selbst oblag: „Bislang war es eine pädagogische Abwägung, ob eine Tat zur Anzeige gebracht wird.“

Ohnehin sollen die Schulen enger mit Polizei zusammenarbeiten. Dafür wir die Anzahl der so genannten Cop4U hamburgweit um zehn Beamte aufgestockt. Cop4U sind Polizisten, die den Schulen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Sie gehen regelmäßig auch in die Klassen, um mit den Kindern direkt über Konfliktlösung, Gewalt und deren Auswirkungen auf die Opfer zu sprechen. Die einzelnen Cop4U sollen künftig mehr Zeit an einer Schule verbringen können, um dort ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufbauen zu können.

Justizsenator Carsten Lüdemann kündigte an, dass die Interessen der Opfer von Jugendkriminalität künftig stärker berücksichtigt werden sollen. Sie sollen unabhängig von der finanziellen Situation des Täters eine materielle Unterstützung bekommen. Dafür wird der so genannte Opferfonds von derzeit 40.000 auf künftig 100.000 Euro jährlich aufgestockt. Der Täter bekommt aus dem Fonds ein „Darlehen“ zur Entschädigung seines Opfers, das er dann durch gemeinnützige Arbeit abbezahlt.

Parallel zu den polizeilichen Maßnahmen plant der Senat, die sozialpädagogische Betreuung der Familien mit auffälligen Kindern zu intensivieren. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram kündigte an, dass bei den Ämtern für soziale Dienste (ASD) sowie beim Schulberatungsdienst Rebus Fachkräfte mit dem Schwerpunkt Gewaltprävention beschäftigt werden sollen. Sie versprach, dafür beim ASD zehn sowie bei Rebus acht neue Planstellen zu schaffen.

Das erklärte Ziel des Senates ist es laut Innensenator Nagel, die Jugendgewalt spürbar zu reduzieren. Das aber werde ihm mit einem solchen Konzept nicht gelingen, prophezeite die SPD-Fraktion: „Die dringend notwendige Trendwende bei der Bekämpfung der Jugendgewalt wird so nicht gelingen.“

Die GAL nahm auf den Anlass vom Wochenende Bezug und forderte ein umfassendes Verbot, in der Öffentlichkeit Waffen zu tragen. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Antje Möller, sagte: „Es gibt für niemanden einen Grund, mit gefährlichen Messern oder anderen Waffen auszugehen.“