Breite Brust für Philipp Rösler

FDP Auf ihrem außerordentlichen Parteitag diskutieren die Liberalen über Europa und Bildung. Hilfe bekommt die angeschlagene Parteiführung ausgerechnet von Westerwelle

„Deutschland ist nur groß in Europa. In der Welt sind wir klein“

Guido Westerwelle, Aussenminister

AUS FRANKFURT ANJA MAIER

Die Hilfe kommt von unverhoffter Seite. Dass der Außenminister die Position der Parteiführung für den Europäischen Rettungsschirm für richtig hält, wäre ja nicht weiter verwunderlich. Aber Guido Westerwelles Hilfe für Philipp Rösler, seinen Nachfolger als Parteichef und Vizekanzler, ist eher moralischer Art.

Was Rösler nicht schafft, kriegt der ziemlich geladene Außenminister hin – die Delegierten wachzurütteln. Die Parteitagsregie hat der Pflege der Parteiseele den weitaus größten Zeitrahmen eingeräumt. Den nutzen die Mitglieder, um am Samstag ausgiebig über ihre Europapolitik und hier in Sonderheit über den Mitgliederentscheid der Euro-Rebellen um Frank Schäffler zu diskutieren.

„Europa hat seinen Preis, ja, aber es hat auch einen Wert“, dröhnt Westerwelle in den Saal. „Deutschland ist in Wahrheit nur groß in Europa. In der Welt sind wir ziemlich klein. Wenn wir das verteidigen wollen, sind wir gut beraten, zusammenzuhalten. Auch dann, wenn es bitter wird.“ Scharf greift er die Euro-Kritiker an. „Wer für Europa ist, ist nicht gegen die Basis“, schmettert Westerwelle. Er schreit nicht wie früher, aber er ist wirklich aufgebracht. Als er endet, springen die meisten Delegierten auf und applaudieren minutenlang.

Ausgerechnet Westerwelle also. Der Mann, den die Basis vor sechs Monaten hinweggefegt hat und der sich für seine Libyen-Politik von seinem Nachfolger Rösler maßregeln lassen musste. Wenn der sich mit breiter Brust vor die Parteispitze stellt, steht es ernst um die FDP. Und ja, es ist ernst. Vor einigen Tagen sind die Unterlagen an die Mitglieder in die Post gegeben worden, die Liberalen sollen entscheiden, wie sie sich zum Europäischen Rettungsschirm ESM verhalten. Würden die Gegner um Schäffler gewinnen, wäre das zwar nicht bindend für Partei und Fraktion. Aber es ist klar, dass dann die FDP im Bundestag Politik gegen die eigene Basis machen müsste.

Ein Unding. Schäfflers Sieg wäre also womöglich das Ende von Schwarz-Gelb. Entsprechend monothematisch geht es her in Frankfurt. Und das, obwohl sich der Parteitag vor allem um das Thema Bildung drehen soll. Aber auch um den Mindestlohn und damit das Verhältnis zum Koalitionspartner CDU. In seiner Rede am Samstagnachmittag beschwört Rösler die Delegierten denn auch, wieder zur Sacharbeit zurückzukehren. Den Euro-Zweiflern verspricht er „eine Stabilitätsunion mit Sanktionen und Insolvenz“. Aber wer das akzeptiere, „akzeptiert ESM und EFSM“.

Er lobt die liberalen Kabinettsmitglieder für ihre Arbeit und schmäht die Opposition. Zu Sahra Wagenknecht, deren Vater Iraner ist, leistet der gebürtige Vietnamese sich einen Fauxpas: „So gut sieht die gar nicht aus. Die hat ganz kleine Augen, ich kenn mich damit aus.“ Der Applaus bleibt dünn.

Beim Thema Bildung scheitert die Parteiführung. Mit knapper Mehrheit sprechen sich die Delegierten gegen eine Leitantrags-Formulierung des Parteivorstands aus, derzufolge das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik gekippt werden soll. Dem Gedanken, dass künftig der Bund in die Bildung investieren darf, folgen die Anwesenden nicht. Sie sprechen sich stattdessen für einheitliche Bildungsstandards und eine leichtere Anerkennung von Abschlüssen aus. Außerdem stimmen sie für die Abschaffung der Kultusministerkonferenz, sie soll durch eine „Bildungskonferenz der Länder“ ersetzt werden. Bis zur Euro-Krise wäre das ein echter Aufreger gewesen.

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