Mut zur Lücke

POST-DUBSTEP Warten auf den subsonischen Bass: Der 23-jährige Londoner James Blake ist der Mann der attraktiven Lücke. Und begeistert mit fantasievoll verfremdetem Gesang

Blake will, dass die Zeit stehen bleibt, möchte dramatische Dauer herstellen

VON MICHAEL SAAGER

Er ist der bislang einzige echte Star, den die Post-Dubstep-Szene hervorgebracht hat, und sein Debüt „James Blake“, das Anfang des Jahres erschienen ist, wurde so sehnsüchtig erwartet wie ein Lottogewinn. Und das nicht zuletzt, weil James Blake ein Mann der attraktiven Lücke ist: Meisterhaft arbeitet der 23-jährige Londoner Musiker, Produzent und Sänger mit den Stilmitteln der Leere und der Stille, mit Pausen und Kerben, die gerade lang sind – jedoch niemals zu lang.

Blake will, dass die Zeit stehen bleibt, möchte dramatische Dauer herstellen, eine Form von Spannung generieren, die ohne entsprechende Pausen nicht zu haben ist: Erst wenn man darauf warten muss, freut man sich wirklich über die sich anschließende subsonische Basslinie, den nächsten, von Erik Satie geliehenen Pianoakkord, den Beginn der seltsamen Kurvenfahrt einer zarten Synthiemelodie.

Besonders doll freut man sich dann freilich über Blakes erneut anhebenden, fantasievoll verfremdeten Gesang. Selten war jemand zu hören, der seine Singstimme mit derart viel Kompetenz, Akribie und Freude vom natürlichen Gesangston in chorknabenhafte Höhen und von dort ins Maschinenhafte gepitcht hätte. Dass Blakes Stimme in keiner ihrer „künstliberiochen“ Einstellungen die Anmutung melancholischer Innerlichkeit einbüßt, grenzt eigentlich an ein Wunder.

Von nichts kommt nichts? Nun, James Blake ist klassisch ausgebildeter Pianist und Absolvent des renommierten Londoner Goldsmith Colleges. Mit seinem zwischen Harmonie und leichter Dissonanz changierendem Minimalismus aus Mikrosamples und herrlich ungeraden, vom Dubstep beeinflussten Beats möchte er Musik schaffen, die anspruchsvoll und gut hörbar ist. Musik mithin, die im Wohnzimmer Sinn zu erzeugen in der Lage ist. Anders gesagt ist Blake wie Burial, Zomby oder Pinch and Shackleton Teil einer offenen Szene, die sich vom Diktat stark standardisierter Clubsounds längst relativ weit entfernt hat. Im Post-Dubstep geht es nicht so sehr ums wahnsinnig wilde Abraven – um synkopierte Beats und tiefe Basslinien aber sehr wohl.

Und so verwundert es nicht, dass Blake basssegensreiche Clubabende als Initiation beschreibt. Leibliches Durchdrungensein, Magen und Brustkorb in kräftige Schwingungen versetzt – davon schwärmt er mit leuchtenden Augen. Und davon legen auch seine eigenen Tracks Zeugnis ab. Aber auf subtile Weise.

■ Di, 15. 11., 20 Uhr, Docks, Spielbudenplatz 19