LESERINNENBRIEFE
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Diskriminierende Sondergesetze

■ betr.: „Als Kind in Abschiebehaft“, taz vom 2. 11. 11

Hoffentlich haben viele diesen die Unmenschlichkeit in unserem Staat aufzeigenden Artikel gelesen. Seit Jahrzehnten gehen die deutschen Behörden mit unbegleiteten Flüchtlingskindern um, als seien sie minderwertiger als deutsche Kinder und Jugendliche, obwohl sie offenbar für klüger gehalten werden. Denn bereits ab dem 16. Lebensjahr hält das Aufenthaltsgesetz Paragraf 80, Absatz 1 (seit 2005) sie für „fähig zur Vornahme von Verfahrensverhandlungen“ wie Erwachsene, was natürlich ein Fehlschuss ist!

Es wird höchste Zeit, dass in Deutschland die diskriminierenden Sondergesetze zur Ausgrenzung von Asylbewerbern abgeschafft werden! Auch die dem deutschen Bürger zur Last fallenden teuren Frontex-Schiffe und Flugzeuge zur Abdrängung der Flüchtlingsboote müssen verboten werden. Jährlich würden dann Tausende Menschen aus Syrien, Afghanistan, Palästina, Somalia etc. nicht ertrinken! G. MAJA LOCHMANN, Berlin

Unverantwortliche Steuersenkung

■ betr.: „Für eine Handvoll Euro mehr“, taz vom 5. 11. 11

Bei der immensen Staatsverschuldung, die auch Deutschland aufweist, wäre es gerade in diesen kritischen Zeiten unverantwortlich, auf Steuereinnahmen zu verzichten, zumal Steuersenkungen den gering Verdienenden sowieso nicht nutzen, sondern nur der besser verdienenden Klientel zu Entlastungen verhelfen. Bei den nun eingegangenen Verpflichtungen in der Eurokrise lässt sich ja überhaupt nicht abschätzen, inwieweit Deutschland letztlich für die Bürgschaften geradestehen muss. Wie rasch und dramatisch sich die Verschuldungssituation eines Landes verschlechtern kann, ließ sich gerade an Italien beobachten. Hinzu kommt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, nach der der Haushalt ab 2016 ausgeglichen sein soll. Ein willkommener Anlass dann für die Regierung, die Sozialausgaben weiter zu reduzieren: Das ist dann wieder alternativlos!

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Therapeutische „Entdrängung“

■ betr.: „Symptom Boni-Banker“, taz vom 3. 11. 11

Sehr einleuchtend, dass die Diskussion über „Finanzkrise“ und Euro und Staatsschulden viel zu kurz greift. Und der lange fällige Bruch mit dem Wachstumstabu wird überzeugend eingeleitet. Hoffentlich führt das zu einer anhaltenden Debatte! Immerhin wird ja jetzt in fast allen Medien wieder offen über „Kapitalismus“ geredet. Aber das allein genügt eben nicht. Auch bei mir ist der Anstoß von „Grenzen des Wachstums“ (1972) wie ein weiter schmerzender Angelhaken hängen geblieben, und ich habe mich immer darüber gewundert, wie es möglich war, diesen Stoß, der damals um die Welt ging, so vollständig zu verdrängen. Danke an den Autor für diese therapeutische „Entdrängung“! GERHARD BREIDENSTEIN, Murrhardt

Notenpresse löst keine Probleme

■ betr.: „Euro retten – aber sicher“, taz vom 5. 11. 11

Mit Verlaub: Mir scheint, Sie machen es sich etwas einfach mit der Idee, die Notenpresse löse unsere Probleme von heute auf morgen. Anzunehmen, dass die EZB mit einer unbegrenzten Gelddrucklizenz Sicherheit erzeugt, ist illusorisch, denn Kapital ist global und nicht an Grenzen gebunden.

Wenn die EZB Geld auf den Markt wirft, werden Investoren aus der ganzen Welt beginnen, gegen den Euroraum zu spekulieren, und dagegen ist auch die EZB machtlos. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mit ihrer Politik ihrer lockeren Notenpresse und den daraus entstandenen ca. 14 Billionen Dollar Schulden da auch nicht gerade ein leuchtendes Vorbild.

Nicht die EZB muss mehr Geld herausgeben, sondern die von der Realwirtschaft losgelöste Finanzwirtschaft muss weniger einnehmen. Nicht umsonst spricht man vom „Primat der Politik“ inzwischen auch im europäischen Rahmen. Die Politik ist gegenüber den von Ihnen so gefürchteten „irrationalen Märkten“ nicht machtlos. Sie muss nur den Mut aufbringen, politische Maßnahmen einzuleiten, etwa in Form einer Finanztransaktionsteuer (Tobinsteuer), die riskante Spekulationen unterbinden würde. SIMON ROTHERS, Berlin