Ankläger am Pranger

MAULWURF Generalstaatsanwalt soll vertrauliche Infos zu Wulff und Edathy an Medien weitergegeben haben

Die Vorwürfe gegen Staatsanwalt Frank Lüttig sind nicht neu. Er gilt als ein Zögling von Exjustizminister Bernd Busemann (CDU)

AUS HANNOVER ANDREAS WYPUTTA

Ausgerechnet ein Generalstaatsanwalt steht im Verdacht, in den Fällen Wulff und Edathy brisante Ermittlungsergebnisse an die Presse durchgestochen zu haben: Wegen Geheimnisverrats führt die Staatsanwaltschaft Göttingen ein Verfahren gegen den Celler Ermittler Frank Lüttig. Das erklärte Niedersachsens grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz am Freitag in Hannover. Sieben Fälle davon beträfen das „Verfahren gegen Herrn Bundespräsidenten a. D. Christian Wulff“, ein weiterer das „gegen Herrn Edathy“.

Lüttig ist Vorgesetzter der Staatsanwaltschaft Hannover, die die Verfahren gegen Wulff und Sebastian Edathy geführt hat. Wulff war vorgeworfen worden, er habe sich als niedersächsischer Ministerpräsident von einem befreundeten Filmproduzenten zu einem teuren Besuch des Münchner Oktoberfests einladen lassen. Vom Vorwurf der Korruption wurde er aber später frei gesprochen.

Das Strafverfahren gegen den Exbundestagsabgeordneten Sebastian Edathy beginnt just am kommenden Montag. Dem Sozialdemokraten wird der Besitz kinder- und jugendpornografischer Bilder vorgeworfen, die er teilweise aus dem Internet heruntergeladen haben soll. Die Frage, wer wann was über die Ermittlungen gegen Edathy wusste, beschäftigt in Berlin einen Untersuchungsausschuss des Bundestags (siehe Seite 7).

In Hannover gilt als brisant, dass der NDR schon vor der Erklärung von Justizministerin Niewisch-Lennartz über die Untersuchung gegen Lüttig berichtete – auch diese Info wurde also durchgestochen. Gibt es in Niedersachsens Justiz also mindestens einen zweiten Maulwurf? Niewisch-Lennartz sprach im Landtag nebulös von Ermittlungen „gegen eine zweite Person“, deren Namen sie „aus ermittlungstaktischen Gründen“ jedoch nicht nennen dürfe.

Der Verdacht gegen Lüttig ist nicht neu. Der ehemalige Leiter der Strafrechtsabteilung im niedersächsischen Justizministerium gilt als Zögling von Exjustizminister Bernd Busemann (CDU). Der war innerparteilicher Intimfeind Wulffs – und amtiert heute als Landtagspräsident.

Schon in seiner im Sommer 2014 erschienenen Autobiografie „Ganz oben Ganz unten“ hatte Wulff Busemann vorgeworfen, zusammen mit Lüttig die Aufhebung seiner Immunität als Bundespräsident vorangetrieben zu haben – danach galt Wulffs Rücktritt als unvermeidlich. Busemann weist die Vorwürfe selbstverständlich zurück: Weisungen an die Staatsanwaltschaft habe er niemals erteilt.

Für die mittlerweile regierende SPD fragt deren parlamentarischer Geschäftsführer Grant Hendrik Tonne, „welche Motivation ein früherer hochrangiger Beamter im Landesjustizministerium haben kann, vertrauliche Informationen aus einem Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Bundespräsidenten und Parteifreund Wulff zu verraten“. Justizministerin Niewisch-Lennartz betonte dagegen, auch für Generalstaatsanwalt Lüttig gelte erst einmal „die Unschuldsvermutung“ – noch.