Ziemlich gut aufgehoben

Die Gewichtheber vom Berliner TSC kämpfen an der Spitze der Bundesliga – aber für den großen Erfolg fehlt das Geld. Dafür sind die Trainingsbedingungen so gut, dass auch die Konkurrenz sie nutzt – und der Sport boomt bei Frauen

Wenn Daniel Elste die Gewichte in die Luft schwingt, braucht er die nötige Atmosphäre. Die verschafft sich der Gewichtheber vom Berliner TSC durch laute Musik. „Jeder von uns im Team hat seinen eigenen Song“, sagt er. Er bevorzuge elektronische Musik, andere eher rockige Klänge. „Ich brauche diese Stimmung, um das Letzte aus mir herauszuholen. Die Musik ist wie ein Startschuss, danach kommt der Tunnelblick, und man nimmt nichts mehr wahr – außer der Stimme des Trainers.“ Offensichtlich hat ihm die Musik am Sonnabend im Bundesligaduell gegen den AC Airport Neuhardenberg geholfen. Der TSC gewann souverän mit 747:667,8 Relativpunkten.

Damit belegt das junge Berliner Team nach drei Kämpfen den zweiten Platz in der Gruppe Nord der Ersten Bundesliga. Aber besser wird es vermutlich auch nicht werden. Zu übermächtig erscheint der deutsche Meister SSV Samswegen. Immerhin brachte der TSC in den vergangenen beiden Jahren das Kunststück zustande, als einziges Team den späteren deutschen Meister zu schlagen. Für die Finalrunde hat es dennoch nie gereicht, da nur die Gruppenersten der einzelnen Staffeln sich qualifizieren können. „In dieser Saison müssen wir realistisch sein und Platz zwei bis drei anpeilen“, sagt Abteilungsleiter Mario Ludwigs. Seit 1991 kämpft der TSC konstant an der Spitze der Bundesliga. „Das wird auch in Zukunft so sein“, so Ludwigs optimistisch.

Sport oder Beruf?

Immer wieder wandern aber Berliner Heber zu finanzkräftigeren Vereinen ab. Zudem sind alle Athleten Amateure; irgendwann müssen sie die Wahl zwischen Beruf und Sport treffen. Auch auf seinen größten Trumpf verzichtet der TSC in dieser Saison: Victors Scerbatihs. Der lettische Olympiazweite von Athen und aktuelle Weltmeister in der Klasse über 105 Kilo hatte in der Vergangenheit oft den Unterschied ausgemacht. „Wir können es uns nicht mehr leisten, einen Athleten extra einfliegen zu lassen“, begründet Ludwigs den Verzicht.

Externe Verstärkungen lassen die knappen finanziellen Mittel aber nicht zu. Stattdessen will der Club komplett auf den eigenen Nachwuchs setzen. „Wir wollen ein starkes Bundesligateam aufbauen und Athleten formen, die auch bei Olympia an den Start gehen können“, sagt Ludwigs. „Das ist unsere Philosophie, und dafür ist der TSC in der Gewichtheberbranche auch bekannt.“

Der Nachwuchs wird allerdings immer weniger. Die Gewichtheber müssen mit vielen Vorurteilen leben, vor allem wenn es um das Verletzungsrisiko geht. „Dabei gibt es, wenn man es richtig macht, auch nicht mehr Verletzungen als bei anderen Sportarten“, sagt Daniel Elste. Hinzu waren diverse Dopingfälle auf internationaler Ebene in der Vergangenheit nicht gerade förderlich für das Image. Auch Victors Scerbatihs war zwischen 2002 und 2004 wegen eines Dopingvergehens gesperrt.

Elste ist sich der Problematik bewusst. Er erklärt auch, dass darüber gesprochen werden muss. „Wir wollen einen sauberen Sport“, sagt er und betont, dass es beim TSC nach der Wende noch keinen Dopingfall gegeben hat. „In Deutschland sind die Kontrollen ohnehin sehr streng.“ Elste begrüßt auch die strengeren Kontrollen, die der Europäische Gewichtheber-Verband vor kurzem beschlossen hat.

Während es ein Nachwuchsproblem bei den Männern gibt, verzeichnet der Sport bei den Frauen einen deutlichen Zuwachs. „Frauen sind bei uns absolut anerkannt“, sagt Elste. Auch beim TSC ist mit Nicole Trux eine Frau fester Bestandteil des Bundesligateams. Ohnehin betrachten sich die Athleten des TSC als eine große Familie. Da hilft jeder dem anderen und gibt auch gern mal Tipps. „Nach dem Wettkampf gehen wir auch immer noch alle zusammen essen“, berichtet Elste.

Training mit dem Gegner

Viele Athleten, auch von anderen Bundesligisten, wissen um die hervorragenden Bedingungen beim dem Berliner Verein und trainieren deshalb am Landesleistungszentrum in Berlin – darunter auch drei Heber aus Samswegen. Einer von ihnen ist René Hoch, der 2005 bei den Weltmeisterschaften in Doha im Stoßen Bronze gewonnen hatte. In der Bundesliga tritt der gebürtige Berliner zwar für Samswegen an, bei Großveranstaltungen aber mit dem Einzelstartrecht für den TSC. „Er ist natürlich unser Aushängeschild“, sagt Ludwigs.

Spätestens im Dezember werden sich alle wieder sehen. Dann empfangen die TSC-Heber den SSV Samswegen. Und wahrscheinlich wird es wieder ein Familientreffen. NICOLAS SOWA