Ein Mann für eine bessere Welt

Zu Gast beim Osnabrücker Friedensgespräch gab Ägyptens Religionsminister Mahmoud Zakzouk sich reichlich moderat. Zu einer wirklichen Auseinandersetzung jedenfalls kam es nicht

Was der Minister nicht routiniert kontern mochte, wurde kurzerhand als Abschweifung deklariert

VON THORSTEN STEGEMANN

1648 wurde hier das Ende des Dreißigjährigen Krieges beschlossen. 250 Jahre später erblickte der Antimilitarist Erich Maria Remarque in Osnabrück das Licht der Welt. Und seit 1986 laden Kommune und Universität zu den so genannten „Friedensgesprächen“ ein, die in prominenter Runde „Fragen der Friedensförderung und Friedenserhaltung“ diskutieren sollen. Wer hier nicht von zivilen Konfliktlösungen, interkulturellem Dialog, Toleranz und Völkerverständigung schwärmt, muss Grundlegendes missverstanden haben. Oder mit voller Absicht die vitalen Interessen eines Gemeinwesens torpedieren, das sich in einem mühsamen, durch zwölf Jahre NS-Diktatur verzögerten Selbstfindungsprozess zur „Friedensstadt“ erklärt hat.

Mahmoud Hamdi Zakzouk, Minister für Religiöse Angelegenheiten und Präsident des Obersten Islamischen Rates der Arabischen Republik Ägypten, schien am Donnerstagabend, beim letzten Friedensgespräch in diesem Jahr, nichts dergleichen im Sinn zu haben. Im Gegenteil: Die von diversen Presseorganen verbreitete Information, der streitbare Minister fordere die Todesstrafe für Konvertiten, ließ er vorab per Zeitungsinterview dementieren. Er sei strikt dagegen, den Abfall vom Islam auf diese Weise zu sanktionieren, sagte Zakzouk, und der Journalist Mohammed Ahmed Hegazy, der mit seiner Frau zum Christentum übergetreten war und für reichlich Schlagzeilen gesorgt hatte, könne im Übrigen seinen neuen Glauben in Ägypten ungestört ausüben.

Zakzouks Vortrag trug dann den beschaulichen Titel „Der Islam und der Westen: Keine Zukunft ohne Zusammenarbeit“ und ermunterte den ägyptischen Botschafter Mohamed Al-Orabi zur Feststellung: „A lot of peace today around us“. Was hätte der Diplomat aber auch sagen sollen: Kaum angekommen in der Friedensstadt, wurde er sogleich in den Friedenssaal des Rathauses weitergereicht und dann in die örtliche Stadthalle zum erwähnten Friedensgespräch befördert.

Sein Bonmot wurde jedenfalls zum Motto des Abends: für Moderator Reinhold Mokrosch wie für die Journalisten Christof Haverkamp und George Khoury, die eigentlich „kritische Nachfragen“ stellen sollten und sich dann doch mit der Rolle des Stichwortgebers zufriedengeben mussten. Und auch für die große Mehrheit der Zuschauer, die andächtig den Worten des gut gelaunten Ministers lauschten.

Der warnte in allemal passablem Deutsch vor den Gefahren einer einseitig gelenkten Globalisierung und der Zuspitzung politischer, wirtschaftlicher und kultureller Machtkämpfe. Die Zukunft der Weltgemeinschaft etwa könne nur auf universellen Werten wie Gewaltlosigkeit, Solidarität, Toleranz und Gleichberechtigung basieren.

Schön gesagt – und ganz im Sinne des Veranstalters. Doch dabei ließ es Zakzouk nicht bewenden: Der „Kreuzzug gegen den Islam“ habe längst Züge einer „kolonialen Ausbeutung“ angenommen, dozierte er. Da sei es wenig verwunderlich, dass die „ungerechtfertigten Angriffe auf islamische Länder“ zu „Terrorismus und Gegenterrorismus“ geführt hätten. Schließlich ziehe ein toter Israeli das Interesse der gesamten Weltpresse auf sich, während 50 ermordete palästinensische Kinder keinerlei Beachtung fänden. Den denkwürdigsten Satz, der über knapp drei Stunden aber unkommentiert blieb, widmete er schließlich der Rolle des politisch-ideologischen Sündenbocks: „Früher waren es Juden, heute sind es die Muslime.“

Als die Diskussion geöffnet wurde, begehrte dann doch eine kleine, aber tapfere Gruppe auf: Sie wollte wissen, wo denn genau die Grenzlinie zwischen Selbstverteidigung und Terrorismus verlaufe, wie es in Ägypten selbst um den interreligiösen Dialog zwischen Muslimen und Kopten stehe, wozu man überhaupt ein Religionsministerium brauche und ob die Dialogbereitschaft einiger prominenter Muslime eine Massenbasis habe. Zakzouk überstand auch diese Fragerunde. Was er nicht routiniert kontern mochte, wurde kurzerhand als Abschweifung deklariert, und das Friedensgespräch mutierte immer mehr zum Ein-Mann-Plädoyer für eine bessere Welt.

Schade eigentlich, denn die Bereitschaft zum offenen, intensiven und kontroversen Dialog müsste doch auch die Fähigkeit zur Selbstkritik beinhalten. In Osnabrück aber blieb erst einmal alles beim Alten. Das Image überstand die sachliche Auseinandersetzung unbeschadet – da war wohl tatsächlich „a lot of peace around us“.