LESERINNENBRIEFE
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Ein miserables Bild

■ betr.: „Mindestlohn. CDU übt sich im Interpretieren“, taz v. 1. 11. 11

Auch in Wissenschaft und Kultur bietet sich ein miserables Bild. Nehmen wir die beim Land Berlin angestellten wissenschaftlichen Volontäre als Beispiel: Sie erhalten 6,85 Euro brutto als Stundenlohn und liegen damit selbst noch unter dem von der CDU geforderten Mindestlohn. Voraussetzung für ein solches Volontariat ist nicht nur ein abgeschlossenes Hochschulstudium, sondern auch ausreichende Berufserfahrung und eine Promotion. Eine studentische Hilfskraft mit 20 h/Woche verdient in den meisten Einrichtungen Berlins ebenso viel. Der verlängerte Ausbildungsweg und die unwürdige Bezahlung missachten nicht nur die wissenschaftlichen Qualifikationen, sondern verhindern in vielen Fällen die Gründung einer Familie. NAME und Anschrift sind der Red. bekannt

Ganz genau!

■ betr.: „Sieben Euro sind kein Weg aus der Armut“, taz vom 1. 11. 11

Ganz genau! Nicht mal der geplante Mindestlohn hilft, Armut zu verhindern, nicht mal bei Vollbeschäftigten. Falsch ist aber die Vermutung, dass Alleinstehende bei einem Nettoeinkommen von 909 Euro im Monat noch Anspruch auf ergänzende Leistungen nach Hartz IV hätten. Der Regelsatz (mit dem sämtliche Kosten – außer Wohnen – abgedeckt werden sollen) beträgt monatlich 364 Euro (da war die „Supererhöhung“ um 5 Euro von 359 auf 364 Euro!). Dazu kommen angemessene Wohnkosten von rund (in Hamburg und Berlin) 360 Euro warm! Mehr nicht. RENATE GEORGY, Hamburg

Mehr als ein Wahlkampfthema

■ betr.: „Besetzer rufen zum Streik“, taz vom 2. 11. 11

In einer Zeit, in der Griechenland gerügt wird, weil dort die Menschen selber entscheiden sollen, ob sie mit den Sparvorhaben einverstanden sind, ist es umso erfreulicher, dass Menschen aus verschiedenen Spektren solidarisch mit einander sein können. Das Verhalten der Gewerkschaft in Oakland sollte ein Beispiel sein, wie es sein könnte. In Deutschland ist ein solches Verhalten der Gewerkschaften undenkbar. Protest bleibt leider viel zu häufig auf einzelne Interessengruppen beschränkt. Um den nötigen Druck aufzubauen, wird das nicht reichen. Gerade in der Mindestlohndebatte könnte so eine ganz andere Dynamik entstehen, wenn zum Beispiel angestellte Lehrer zusammen mit Hotelangestellten demonstrieren, um einen Mindestlohn durchzusetzen, der mehr sein soll als ein Wahlkampfthema der CDU. JÖRN QUENT, Dortmund

Papandreou verdient Respekt

■ betr.: „Frechheit! Griechen wollen Demokratie“, taz vom 2. 11. 11

Giorgio Papandreous Entschluss, das griechische Volk mit einer Volksabstimmung über Sparpläne und „Eurohilfe“ abstimmen zu lassen, ist nicht nur der einzig richtige – er verdient Respekt. Zum einen wird Papandreou inzwischen erkannt haben, dass die Staatspleite unter den vorgegebenen und teils diktierten Bedingungen so oder so kommt, zum anderen entlarvt er mit seinem Entschluss, des Volkes Stimme sprechen zu lassen, die Eurostaaten mit deren scheinbarer Solidarität in der Welt als „Fassaden-Demokratien“. Wurden wir Europäer irgendwann einmal gefragt, ob wir mit den Schuldenregelungen und den Beschlüssen der Regierungen einverstanden sind? Bis vor kurzem wurden nicht einmal die Parlamente, unsere Volksvertreter, um ihre Meinung gebeten. ROLF KAUFMANN, Neuburg

Schweigen im Wald

■ betr.: „Im Kern der Krise: Italien“, taz vom 2. 11. 11

Der Euro geriete wirklich in die Krise, wenn die Europäische Zentralbank Staatsanleihen im großen Stil aufkauft, was Ulrike Herrmann zur Krisenlösung empfiehlt. Mit dem Aufkauf der Staatsanleihen würde zusätzliche Liquidität geschaffen, einfach formuliert: Geld gedruckt und Inflation verursacht. Dabei hatte Ulrike Herrmann an anderer Stelle schon darauf hingewiesen, dass die Steuerpolitik wieder zum Zuge kommen muss. Gelder, die die Staaten über Anleihen von Sparern holen, sind irgendwann zurückzuzahlen. Wenn das nicht klappt, weil das Steueraufkommen nicht reicht und neue Anleihen zu teuer werden, ist die staatliche Schuldenkrise da. Nicht nur das Sparen bei den kleinen Leuten sollte in dieser Situation angesagt sein, sondern die angemessene Besteuerung der großen Kapitaleinkommen, die es sowohl in Griechenland wie in Italien gibt. Darüber herrscht Schweigen im Wald unserer Massenmedien.

DIETRICH JAHN, Hannover

Horror sollte nicht sein

■ betr.: „Eins zu eins transportiert“, taz zwei vom 1. 11. 11

Der BUND musste zu diesem Zeitpunkt von einem Kohlekraftwerk ausgehen. Vattenfall hatte die Planung für ein Kohlekraftwerk vorgelegt und sämtliche Vorschläge, ein Gas- oder Biomassekraftwerk zu bauen, mit den Argumenten „zu unsicher“ und „zu unwirtschaftlich“ vehement abgelehnt. Es war nicht unsere Absicht beim Pressegespräch, Horror zu verbreiten, sondern unsere Einschätzung über die bisher bekannte Planung abzugeben. Dass Vattenfall sechs Wochen später aufgrund des hohen öffentlichen Drucks auf den Kohlekraftwerksbau verzichtete, hat alle überrascht.

CARMEN SCHULTZE, BUND Berlin