Umstrittener Blechbläser

JAZZFESTIVAL GÖTTINGEN Boykottaufrufe gegen israelischen Musiker

Das Programm des 34. Göttinger Jazzfestivals hält eine politisch brisante Personalie parat: Gegen den Auftritt des israelischen Saxofonisten Gilad Atzmon am 12. November hat sich nun die Gruppe „a:ka“ gewandt. Der bekennende Anti-Zionist Atzmon sei ein Holocaust-Leugner und „NS-Verharmloser“.

Die Positionen des Musikers zum Nationalsozialismus seien „auf den ersten Blick kaum von denen der NPD zu unterscheiden“, heißt es in einem Flugblatt. Atzmon fungiert demnach gern als „‚Alibi-Jude‘ der antisemitischen Internationale“ und redet „bisweilen daher wie ein prototypischer Bierzelt-Antisemit“.

In der Tat gefällt sich der 48-Jährige, der seit langem in England lebt, immer wieder darin, zu provozieren: „Der Holocaust diente dazu, die Aufmerksamkeit von den ungeheuren Verbrechen der Alliierten abzulenken“, zitiert ihn nun etwa die Göttinger Gruppe.

Der Verein Jazzfestival Göttingen, Veranstalter des Musikfests, hält dagegen, „dass wir eine Verharmlosung des Nationalsozialismus bei Gilad Atzmon absolut nicht entdecken können“, so Vereinsvorstand Ove Volquartz. „Sie würde von uns im Verein nie und nimmer geteilt oder geduldet.“ Das Festival werde aber keine politische Zensur ausüben, „solange die Aussagen der eingeladenen Künstler nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen“.

Laut Programmheft ist Atzmon, dessen Romane hierzulande unter anderem bei der Hamburger Edition Nautilus erschienen sind, ein „hochpolitischer Musiker und Schriftsteller“, der „immer wieder sehr polarisierend gegen Israel Stellung bezieht“.

Der Fachbereichsleiter Kultur der Stadt Göttingen, Hilmar Beck, kündigte gestern seinen Rückzug aus der Leitung des Festivals an. Er wolle damit deutlich machen, „dass die Stadt nicht Träger des Festivals ist und das Festival auch nicht zu verantworten hat“, sagte Beck.

„Der Versuch, meine Sichtweise mit der Nazi-Partei in Verbindung zu bringen, bedarf keiner Antwort“, schrieb Atzmon jetzt selbst. „Wenn ich darauf bestehe, dass Geschichte frei und öffentlich diskutiert werden muss, bin ich dann ein Nazi? Wenn ich vielen israelischen Akademikern darin zustimme, dass der Holocaust die ‚neue jüdische Religion‘ ist, bin ich dann ein Nazi?“

„a:ka“ fordert leere Ränge für den Provokateur. Feiere ihn nämlich ein Publikum, wäre das aus Sicht der Gruppe „der politische Bankrott der Göttinger Kulturszene“. RP