Immer eine selbstbewusste Idee

Mit neuen Begrüßungsschildern an der Autobahn will die niedersächsische CDU auf das Innovationspotential in Niedersachsen hinweisen. Dabei unterläuft ihr mehr als ein logischer Fehler

„Immer eine gute Idee“ scheint im Fall von Niedersachsen ein besonders ironischer Griff ins Klo zu sein

von Jessica Riccò

„Auf Wiedersehen in Niedersachsen“ und „Welcome to Lower Saxony“ – so viel Gastfreundschaft, das war einmal. Seit gestern prangen an den niedersächsischen Autobahnen das selbstbewusste „Immer eine gute Idee. Niedersachsen.“ und zum Abschied „Alles Gute!“, beide versehen mit weißem Wappenpferd auf rotem Grund.

„Mobilität und Kommunikation, Energie, Gesundheit und Ernährung – Niedersachsen ist in Forschung und Entwicklung auf vielen Feldern führend,“ sagte Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Walter Hirche zur Präsentation der neuen Schilder. „Hier nach Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu fragen, ist immer eine gute Idee.“

Dass Deutschland das Land der Ideen ist, weiß man ja: das mp3-Format, Aspirin, die Dauerwelle, alles Made in Germany. Ob Niedersachsen ein Musterbeispiel dafür ist, hängt eher von wohlwollenden Zahlendrehern ab, denn norddeutscher Realität. Denn fragt man anstatt der Landesregierung mal beim Landesamt für Statistik nach, erhält man folgende Aussage: „Die wirtschaftlichen Entwicklungen des Landes waren nicht gut. Ein im Bundesvergleich durchschnittliches Wirtschaftswachstum ging einher mit einer weiter anschwellenden Pleitenwelle; der Verdienstabstand zum Bundesdurchschnitt stieg weiter an. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen ging ebenso zurück wie die der Patentanmeldungen.“

Ups. Es scheint, als sei „Immer eine gute Idee“ ein besonders ironischer Griff ins Klo. Zumindest kann das keine Absicht gewesen sein, sich mit einem wirtschaftlichen Aufschwung zu rühmen, der weder Hand noch Fuß hat. Bestätigung für den Ironie-Verdacht scheint sich in weiteren Aussagen Walter Hirches zu finden: „Wir wollen die Qualitäten des Landes Niedersachsen zeigen,“ erklärt er und fügt hinzu „nicht bierernst, sondern oft mit einem Augenzwinkern.“

Ein Augenzwinkern also. Als hätte die Titanic-Redaktion unbemerkt die CDU unterwandert. Nach Angaben der SPD-Fraktion ist es jedoch ein ganz anderer Dorn, der sich vermutlich bei jeder Überschreitung der Landesgrenze in Christian Wulffs Herz bohrte: Bisher nämlich prangte auf den Willkommensschildern noch eine Strichpferdchenversion des Wappentiers aus der Ära Schröder. Der hatte das weiße Ross als eine seiner ersten Amtshandlungen 1990 in den Ruhestand geschickt. Ein Pferd tauge nicht länger als Symbol einer modernen Regierung, hieß es damals und fortan prangte der „Schröder-Haken“ auf Visitenkarten und Briefköpfen des Landes Niedersachsen.

Zwar symbolisierte der Haken immer noch das Tier. Das tat er allerdings so kryptisch, dass er dem Durchschnittsniedersachen fremd geblieben sein dürfte – zu einem Zeitpunkt, als es noch nicht üblich war, wahnwitzige Emoticons mit wohlwollender Kreativität zu entziffern.

Wenn das eindeutige CDU-Wappenpferd sich auch schon längst wieder in den Unterlagen und Formularen niedersächsischer Bürokratie eingeschlichen hat: Hier liegen seit 1951 zwei Irrtümer vor. Einerseits ist der dargestellte Gaul kein Oldenburger oder gar Hannoveraner sondern ein dänischer Albino. Der letzte seiner Art verstarb im Jahr 1892 und es ist rätselhaft, warum die Landesväter sich 1951 ausgerechnet für dieses Pferd entschieden haben.

Was aber auch abgesehen von solcher Korinthenkackerei stört: Schon lange vor den sturmfesten, erdverwachsenen Niedersachsen beanspruchten die Westfalen das weiße Tier für sich und integrierten es ebenfalls in ihr Landeswappen.

Nachdem nun voriges Jahr 36 spezielle WM-Schilder (“Willkommen bei Freunden!“) aufgebaut und wieder aufmontiert wurden und zwischenzeitlich „60 Jahre Niedersachsen“ dem Besucher gleich an der Grenze etwas Landesgeschichte nahebrachte, nun also „Immer eine gute Idee.“ Eine gute Idee könnte es im Zuge der Wahlwerbung tatsächlich gewesen sein, den Wähler drei Monate vor den Landtagswahlen noch fix mit neuen Straßenschildern zu beeindrucken. Wer dafür Geld hat, dem muss es gut gehen, das macht Sinn.

Aus dem „Land des Schwächelns“ habe die CDU-Regierung Christian Wulff zu Folge ein „Land des Lächelns“ (gemeint ist nicht China) gemacht. Die SPD spottet indes über das Land des Hinterher hechelns. Und wenn auch beide Parteien ganz miserable Rapper stellen würden: Es ist etwas dran an der SPD-Kritik, „Immer eine gute Idee“ sei steuergeldverschwenderische Wahlwerbung. Denn nach weiteren Daten des Landesamts für Statistik stieg die Verschuldung der Städte, Gemeinden und Landkreise zwischen 2002 und 2006 von 2 auf 4,5 Milliarden Euro an, Tendenz steigend.

Ein Begrüßungsschild ist kein Muss, es ist nur eine nette Geste. Anderswo hat man das auch bereits erkannt: Trotz 18 Jahren unkomplizierter Einreise verzichtet man in Berlin konsequent auf etwaige Begrüßungsschilder.