„Unsere Serie sieht einfach viel besser aus“

TV „Deutschland 83“ wurde auf der Berlinale gefeiert und als erste deutsche Serie in die USA verkauft. Ein Gespräch mit den Machern

■ Die US-Autorin Anna Winger und ihr Mann Jörg Winger, Produzent der Ufa Fiction, haben sich „Deutschland 83“ zusammen ausgedacht. Die acht Episoden spielen im Kalten Krieg.

INTERVIEW JASMIN ROSTAM

taz: Herr Winger, der Serientitel „Deutschland 83“ lässt noch nicht allzu viel verraten. Worum geht es bei dem Format?

Jörg Winger: Die Serie spielt 1983, historisch ein wichtiges Jahr. In vielerlei Hinsicht der Beginn der Wiedervereinigung, und gleichzeitig geriet die Welt an den Rand einer nuklearen Katastrophe. Vor diesem Hintergrund erzählen wir die Geschichte des 23-jährigen Moritz Stamm, der von der Stasi dazu auserkoren wird, in der BRD zu spionieren. Dafür wird er im Westen als Soldat in die Bundeswehr eingeschleust. Er muss sich in seiner neuen Identität und Rolle zurechtfinden, im fremden Westen. Er sucht und findet Vaterfiguren, verliebt sich und durchlebt alle Krisen des Erwachsenwerdens.

Die Serie ist hochkarätig besetzt.

Jörg Winger: Das ist sie. Wir haben wirklich hervorragende Schauspieler für unser Projekt gewinnen können. Neben Hauptdarsteller Jonas Nay (unter anderem „Homevideo“) sind auch Ulrich Noethen, Maria Schrader, Ludwig Trepte oder Sylvester Groth vertreten. Sie alle haben auch mit ihren eigenen biografischen Erfahrungen dazu beigetragen, „Deutschland 83“ zu einer psychologisch authentischen Serie zu machen.

Frau Winger, Sie sind Amerikanerin und haben diese Zeit nicht persönlich miterlebt. Was fasziniert Sie an der deutsch-deutschen Vergangenheit?

Anna Winger: Unsere Serie ist für mich in gewisser Weise eine Feier der deutschen Vereinigung. Ich wollte etwas Großes, Feierliches und auch Positives schaffen. In „Deutschland 83“ fangen wir im Jahr 1983 in einer Krisensituation an. Wir wissen allerdings immer, dass am Ende das Happy End steht – die friedliche Wiedervereinigung. Für mich als Amerikanerin ist es möglicherweise einfacher, das so zu sehen. Ich denke, dass die Deutschen da etwas zurückhaltender sind.

„Deutschland 83“ wird als Event-Serie angekündigt. Wollen Sie dem verstaubten Image einiger Historienverfilmungen entgegentreten?

Anna Winger: Das deutsche Fernsehen tendiert bei der deutschen Historie dazu, sich sehr auf den Zweiten Weltkrieg zu fokussieren. Die Zeit sollte nicht die einzige sein, mit der junge Menschen heute im Fernsehen konfrontiert werden. Es gibt so viele deutsche Geschichten, die erzählt werden müssen. Die Welt, in der wir heute leben, kann man nicht verstehen, ohne sich auch mit dem Kapitel der deutschen Geschichte befasst zu haben, das wir abbilden.

Man könnte einen Vergleich zur ARD-Serie „Weißensee“ ziehen, die auch in der DDR spielt.

Jörg Winger: Was die Kollegen bei „Weißensee“ gemacht haben, finde ich toll. Das Format war sicher auch einer der Türöffner für unsere Serie – eine horizontal erzählte Serie, die aus dem üblichen Schema ausgebrochen ist. Unser Programm hat aber trotzdem eine andere Farbe. Wir erzählen eine Spionagegeschichte, eine Coming-of-Age-Geschichte, und richten den Fokus auf die alte BRD, die ja auch mittlerweile verschwunden ist.

Wo sehen Sie sich im Vergleich zu amerikanischen Formaten?

Anna Winger: Wie bei amerikanischen Formaten kommt die Geschichte von „Deutschland 83“ von den Schöpfern der Serie. Es ist eine „Originalserie“, da wir nicht versuchen, ein erfolgreiches Format zu kopieren, sondern eine außergewöhnliche, spannende Geschichte im Rahmen eines Genres aus eigenem Antrieb und aus unseren Figuren heraus erzählen. Die Wahrheit ist aber auch, dass unsere Serie einfach viel besser aussieht als viele amerikanischen Programme.

Jörg Winger: Ich würde behaupten, dass wir hier in Deutschland für das gleiche Geld einen besseren Production Value als die Amerikaner schaffen. Wir haben tolle Sets gebaut, die die erzählte Zeit hochwertig und wirklichkeitsgetreu abbilden. Das ist ein Punkt, an dem die Amerikaner schwächeln.

Wie lief die Arbeit mit RTL?

Jörg Winger: Ich rechne es RTL wirklich hoch an, dass sie sich dieser neuen Form öffnen. Diese Serie hat das Potenzial, eine Riesenaufmerksamkeit zu erzeugen und die Leute ins Gespräch zu bringen, über unsere eigene Geschichte, sowohl persönlich wie auch politisch. Das sind die Stoffe der Zukunft. Stoffe, mit denen man das Publikum emotional packt und Debatten auslöst. Es war uns wichtig, einen eigenen Stil zu etablieren. Von der Story bis zum Casting über den Komponisten bis hin zu den Requisiten wurden alle kreativen Entscheidungen von unserem Team getroffen.

Glauben Sie, dass mit RTL eine andere Zielgruppe für diesen Stoff erschlossen werden kann? Jörg Winger: Ja, das glaube ich auf jeden Fall. Wir wollen kluges Entertainment, das Menschen quer durch alle Altersschichten und Milieus anspricht. Ich glaube generell, dass man in Deutschland das Publikum gern unterschätzt. Paradoxerweise gibt es zugleich immer noch enorme Hemmungen, es seinen Zuschauern leicht zu machen, einen Zugang zu einer Geschichte zu finden. Warum eigentlich? Wir wollen Menschen für eine Geschichte begeistern, indem wir sie unterhalten, emotionalisieren und das als Kanal nutzen, die Leute auch in komplexere Debatten zu führen.

■ RTL zeigt die Serie Ende 2015