Der Tüftler für Süßwaren

„Ich bin Sozialist, aber meinen Sozialismus mache ich mir selber“

MICHELE FERRERO

Michele Ferrero hat zeit seines Lebens das Rampenlicht lieber seinen Produkten überlassen. Interviews gab er nicht. Mon Chéri, Nutella, die Überraschungseier, Ferrero Rocher. Produkte, die er allesamt selbst entwickelt hatte, mit denen er eine Familienkonditorei zu einem der größten Süßwarenkonzerne der Welt ausbaute.

Angefangen hatte alles in der Kleinstadt Alba im Piemont. Dort experimentierte schon Micheles Vater mit einer Nussnougatcreme, und der Sohn half mit im Betrieb. Doch schon 1949, nach dem Tod von Ferrero senior, rückte er an die Spitze des Betriebs, mit gerade einmal 23 Jahren. Sofort zeigte sich seine Handschrift. Tage und Nächte verbrachte Michele Ferrero in den Labors, um immer neue Produkte zu entwickeln und zu verfeinern. Einer seiner ersten Coups war Mon Chéri. Zu echtem Weltruhm aber brachte es Ferrero mit Nutella, jener Streichcreme, die 1964 auf den Markt kam – letztes Jahr feierte Italien das 50. Jubiläum gar mit einer Briefmarke.

„Immer an Valeria denken“, so lautete Ferreros Grundprinzip. Valeria: Das war für ihn die Durchschnittshausfrau, die wahre Chefin, die mit ihren Konsumentscheidungen über Wohl und Wehe der Firma entschied. Und Ferrero bemühte sich, Valerias Vorlieben zu erahnen. Zum Beispiel mit dem Kinder-Überraschungsei, seit 1968 auf dem Markt. Seine Manager erklärten, Schokoladeneier gingen bloß zu Ostern – und der Firmenchef gab zurück: „Dann ist eben von jetzt an das ganze Jahr Ostern.“

Darüber wuchs das Familienunternehmen zum Multi, der weltweit an 20 Standorten produziert; und Ferrero selbst stieg mit einem geschätzten Vermögen von 20 Milliarden Euro zum reichsten Italiener auf. Sein Imperium führte er paternalistisch, die Gewerkschaften bekämpfte er nicht – er suchte sie jedoch mit einer Firmen-Sozialpolitik überflüssig zu machen. „Ich bin Sozialist, aber meinen Sozialismus mache ich mir selber“, so lautete sein Motto. Und da er streng religiös war, stellte er vor jede seiner Fabriken eine Statue der Madonna von Lourdes.

Anders als andere Erfolgsunternehmer erhielt Ferrero nie einen Ehrendoktorhut – weil er sie mit der Begründung „mir reicht der gesunde Menschenverstand“ ablehnte. Am Samstag starb Michele Ferrero, wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag. Bis zuletzt hatte er am Wohnsitz in Monte Carlo an neuem Süßzeug experimentiert. MICHAEL BRAUN