Fernsehen schaltet Basketball ab

Die Basketballer von der BG 74 Göttingen spielen in dieser Saison nach 20-jähriger Abstinenz wieder in der Bundesliga. Eine richtige Halle haben sie allerdings nicht – und wie es aussieht, könnte das eine Weile so bleiben

Vor dem ersten Heimspiel war es bloß ein Scheinwerfer, der nicht so recht wollte. Doch die Verantwortlichen der BG 74 Göttingen feilten fast sechs Stunden an der idealen Ausrichtung des Punktstrahlers, um den Einmarsch ihrer Basketball-Profis wirkungsvoll zu inszenieren. Schließlich galt es, den Basketballfans etwas Besonders zu bieten – nach 20-jähriger Erstliga-Askese.

Derart ins rechte Licht gerückt gewannen die Südniedersachsen vergangenen Dienstag prompt auch ihr zweites Saisonspiel mit 91 : 85 gegen Bayer Giants Leverkusen, die 3.300 Zuschauer waren begeistert. „Wir waren superhyped wegen der tollen Stimmung“, sagte Göttingens Trainer John Patrick nach dem Spiel und verglich die Atmosphäre mit der amerikanischen Profiliga NBA: „Das war richtig professionell.“

Der Liganeuling muss für seine Heimspiele einige Mühen auf sich nehmen, um eine ligataugliche Spielstätte zu schaffen. Vor jeder Partie rücken bis zu 40 Arbeiter an und pflanzen ein Basketballfeld samt Tribünen in die Göttinger Lokhalle, die dann gleich nach dem Abpfiff wieder abgebaut werden müssen, um anderen Veranstaltungen Platz zu machen. „Ein Kraftakt“ seien diese ständigen Umbaumaßnahmen, sagt Michael Pickart, Geschäftsführer der Göttinger Profi-Basketballer.

Trotzdem hat es der Verein geschafft, eine hochprofessionelle Infrastruktur aufzubauen. Abgeschaut haben sich das die Göttinger von ihren norddeutschen Ligakonkurrenten aus Braunschweig und Quakenbrück. Dort spielt man bereits seit Jahren in der Basketball-Bundesliga – und das auf höchstem Niveau.

Ohnehin gelten die Strukturen in den deutschen Basketballvereinen unter Experten als erstklassig. Das Problem ist nur, dass der Sport hierzulande allenfalls regional Begeisterung auslöst. Bundesweite Ausstrahlungen sind selten, was die Fernseheinnahmen erheblich reduziert.

Die Folge ist, dass es die besten Spieler ins lukrativere Ausland zieht. Ein gutes Beispiel ist Quakenbrück, wo die Artland Dragons seit nunmehr 72 Spielen ununterbrochen vor ausverkaufter Halle spielen. Vergangene Saison stand die Mannschaft überraschend im Finale um die Meisterschaft und im Pokalfinale. Zum Auswärtsspiel nach Bamberg reisten rund 1.600 Fans aus dem 13.000 Seelen Ort, gut 12 Prozent der Quakenbrücker Gesamtbevölkerung.

Nach dieser überraschend erfolgreichen Spielzeit mussten die Dragons gleich sieben Spieler ziehen lassen. So sehr das Korbspiel lokal elektrisiert, so unbedeutend ist darüber hinaus. Überregional hätte Basketball schlichtweg „keine Medienreichweite“, sagt Marko Beens, der Geschäftsführer der Artland Dragons. Der Sport könne so nicht die Massen ansprechen, wie es der Fußball tut.

Zu Beginn der Saison hat sich die Basketball-Bundesliga sogar aus dem Bezahlfernsehen verabschiedet, nachdem selbst bedeutende Meisterschaftsspiele kaum Zuschauerinteresse fanden. Derzeit gibt es Ligaspiele nur noch als gebührenpflichtige Direktübertragung im Internet.

Dennoch ist Artland-Geschäftsführer Beens zuversichtlich. Man müsse eben „die Leute erst mal überreden, zum Basketball zu kommen“, so Beens. Bis dahin scheint die Liga trotz aller Kraftanstrengungen ihrer Vereine in einem verhexten Kreislauf gefangen: kein Fernsehen, kein Geld, keine Top-Spieler – kein Fernsehen. LARS GEIGES