Blind Dating (10)

Die Treffen mit Sally W.

Es gibt Konkurrenz. Es gibt immer Konkurrenz. Kürzlich schrieb ein schlauer Amerikakorrespondent von der amerikanischen Sitte des multiple dating. Heißt, man hat immer mehrere Eisen im Feuer. Die man lustig dreht und wendet, bis man herausgefunden hat, mit wem es ernster wird. In unseren Breiten herrscht noch immer ein unergründlicher Moralkodex in diesen Dingen. Man geht nur mit einem oder einer aus. Und wenn der nicht will? Dann sitzt man wieder alleine da.

Oder kann sich üben als Tourist auf der langen Reise ins Herz einer Frau, wie Jörg Fauser diesen Zustand einmal beschrieben hat. Im Sommer kann man wenigstens noch draußen sitzen. Man schaut auf die zerkratzten Scheiben der vorbeiratternden Straßenbahnen, man schaut auf die zerkratzten Beine der Katzenhalterin am Nebentisch. Im Herbst ist es klamm, da bleibt man daheim und schießt auf einen Globus. Und sucht dann da, wo das Loch ist, nach der Liebe, die man sucht.

Sally jedenfalls, mit der ich mich schon seit längerem treffe, lässt mich rüde warten. Es ist nicht so, dass sie abgeneigt ist. Glaube ich. Jedenfalls treffen wir uns regelmäßig und rücken sachte näher. Gehen aus, machen romantische Dinge, wandeln durch Sprühregen, sitzen unter Linden, unterhalten uns über Exfreunde und die liebe Familie, all das. Mir persönlich geht es aber zu europäisch, zu langsam ab, vor allem, weil sie derzeit mein einziges Eisen ist. Wir werden alt und haben immer noch nicht die Glut des anderen erkannt, so fühlt es sich an. Klarer ausgedrückt: Es ist noch nichts passiert, nichts Körperliches. Und das Schlimmste ist: Es gibt Konkurrenz. Auch wenn Sally das leugnet und ich es nicht beweisen kann. RENÉ HAMANN