Drogenpolitisch ins 21. Jahrhundert

LEGALIZE IT Die Linkspartei beschließt, auch die Legalisierung harter Drogen zu fordern. Welch gute Idee dahintersteckt, ergänzt sie erst nachträglich

AUS ERFURT ANJA MAIER

Der Antrag, Heroin zu legalisieren, geht einfach durch. Handzeichen und zack! Der Antrag, dass am Parteitagsabend noch geschwoft wird, darf hingegen nicht einmal eingebracht werden, obwohl die Essener Genossin heute Nacht „so gern mit einem Genossen aus Sachsen tanzen möchte“. Und der Antrag schließlich, den Drogenantrag wieder zu ändern, findet zu später Stunde doch noch die Zustimmung der Genossen. Drogen ja, tanzen nein, Drogen dann doch nur irgendwie.

Es begann am Samstagmittag, als der Änderungsantrag PR.175.3. zur Abstimmung kommt, eingebracht von der Bundesarbeitsgemeinschaft Drogen: Der Parteitag möge beschließen, dass das neue Programm „langfristig eine Legalisierung aller Drogen“ fordert. Im Entwurf hatte man noch die „Legalisierung weicher Drogen“ gefordert. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmt nun für die Legalisierung harter Drogen.

Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linkspartei, freut sich darüber. Noch. Er hat den Antrag unterstützt und verweist gegenüber der taz auf das Wörtchen „langfristig“. Die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten löse nicht deren Problem, sagt er. Deshalb will die Partei die Wende hin zur akzeptierenden Drogenarbeit vollziehen. Erwachsene sollen ihre Drogen in Apotheken kaufen können. „Die Substanzen müssen legal erhältlich sein, Verbote schrecken doch nicht ab“, sagt Tempel.

Die Reaktionen kommen prompt. Die Forderungen der Linkspartei, so der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, „nehmen immer absurdere Züge an“. Die Partei beschließe „unverantwortlichen Unsinn“. Und Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU, sagt: „Die Linke will unsere Kinder und Jugendlichen ungeschützt und ungestraft den Dealern harter Drogen aussetzen.“ Das ist für Partei- und Fraktionsspitze zu viel. Am Abend initiiert Fraktionschef Gregor Gysi eine Korrektur. Brav beschließen die Delegierten den Zusatz, der Abschnitt im Programm bedeute „die Entkriminalisierung der Abhängigen und die Organisierung von Hilfe und einer legalen und kontrollierten Abgabe an diese“.

Mit Frank Tempel hat man darüber nicht gesprochen. Er lächelt höflich, wenn man ihn fragt, ob er gekränkt sei. „Mit Klaus Ernst habe ich das schon ausgeräumt“, sagt er, „mit Gregor mache ich das nächste Woche.“ Ihn ärgere, dass nun ein falsches Wort im Text steht. „,Abhängige‘ statt ‚Konsumenten‘ “, sagt er, „das ist ja der Fehler in der öffentlichen Wahrnehmung: Wer Drogen nimmt, ist abhängig. Das ist falsch, beim nächsten Bundesparteitag müssen wir das wieder ändern. Wenn man Fachleute hat, muss man sie auch heranziehen.“

Aber geht der Absatz im neuen Programm nicht tatsächlich zu weit? Heroin, Koks, Crystal, Meth – alles legalisieren? „Keine Sorge“, sagt der Kriminalist, der jahrelang in einer Rauschgiftbekämpfungsgruppe gearbeitet hat, „der Dreck, der da auf der Straße verkauft wird, wird nicht legalisiert.“ Die Linke wolle nicht zur Dealerpartei werden, sondern im Gegenteil der Drogenmafia die Geschäftsgrundlage entziehen. In Zeiten, da sich der Staat nur als Verbotsinstanz in die Debatte einschaltet, sei es wichtig, drogenpolitisch im 21. Jahrhundert anzukommen.

Fragt sich nur, warum es bei einem Parteitag, auf dem die Delegierten zäh und unnachgiebig um kleinste Formulierungen stritten, nicht möglich war, Änderungsantrag PR.175.3. genauer zu formulieren. Auch Frank Tempel ärgert das. Als er mit der Bundesarbeitsgemeinschaft den Text formulierte, seien stets kürzere Formulierungen gefordert worden. „So entstehen Unklarheiten.“ Die sind nun beseitigt. Die Parteispitze hat es so gewollt. Gefragt hat sie ihren Fachmann nicht.