Skepsis statt Jubel über US-Abzugspläne

IRAK Präsident Obamas Absicht, seine Soldaten bis Jahresende zurückzuholen, stößt auf Kritik

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Militärisch sieht es aus, als hätte Barack Obama eine Serie von Erfolgen, bei denen er als starker Mann auf der richtigen Seite steht: Nach der Tötung von Osama bin Laden und dem Ende des Regimes von Muammar al-Gaddafi, worüber er sein Volk in direkten Ansprachen informiert hat, kündigt der US-Präsident bei seiner jüngsten Ansprache aus dem Weißen Haus den Abzug der US-Soldaten aus dem Irak bis zum Jahresende an. „Das habe ich im Wahlkampf versprochen“, sagt er. Er redet von der kommenden „neuen Phase normaler Beziehungen“ zwischen den USA und dem Irak, die im Januar 2012 beginnen werde: „In wechselseitigem Interesse und in Respekt.“

Eine Million US-Soldaten haben in dem Krieg gekämpft, den George W. Bush im März 2003 wegen angeblicher, aber inexistenter Massenvernichtungswaffen begann. 4.500 US-Soldaten haben ihr Leben verloren. Mehr als 32.000 wurden schwer verletzt. Verglichen mit der Zahl der Opfer in der irakischen Bevölkerung ist das wenig. Doch in den USA, wo der Irakkrieg stets umstritten war, wiegt es schwer.

Dennoch brandet kein Beifall in den USA auf, als Obama am Freitag den Abzug ankündigt. Von republikanischen Präsidentschaftskandidaten kommt Kritik. Mitt Romney kontert mit der Frage: „Ist es blankes politisches Kalkül oder die Unfähigkeit, mit der irakischen Regierung zu verhandeln?“ Für ihn hat Obama dabei „versagt, im Irak für einen ordentlichen Übergang“ zu sorgen.

Doch auch von der Linken kommt Kritik. Viele Kriegsgegner in den USA wollen an den Truppenabzug erst glauben, wenn er vollzogen ist. Andere warnen vor den nachrückenden privaten Söldnern. „Die Ankündigung bedeutet, dass wir eine US-Besatzung durch eine andere ersetzen werden. Das wird die Instabilität und Gewalt im Irak und der Region weiter anfachen“, meint der demokratische Kongressabgeordnete Dennis Kucinich aus Ohio: „Wir müssen wirklich rausgehen, nicht nur Uniformen und Personal austauschen.“

Private US-amerikanische Unternehmen treten in die Fußstapfen der US-Soldaten im Irak. 4.500 bis 5.000 private Sicherheitsleute bewachen künftig die beiden US-Konsulate und die Botschaft in Bagdad. Laut Washington Post wird das US-Außenministerium 16.000 zivile Angestellte im Irak haben. Hinzu kommen weitere US-Subunternehmen, die für die Sicherheit im Öl-, Transport- und Bausektor im Irak sorgen werden.

Die irakische Regierung hat den US-Abzug verlangt. Aber bei den traditionellen US-Verbündeten in Ankara gilt er als verfrüht. „Die USA haben ein Durcheinander im Irak angerichtet, das noch nicht aufgeräumt ist“, verlautet aus türkischen Diplomatenkreisen. Wenige Stunden bevor Obama ankündigt, dass er seine Soldaten bis Weihnachten aus dem Irak abziehen wird, beginnen türkische Soldaten im Nordirak eine Militärattacke. Für den Irak steht fest: Der Krieg geht weiter.