Diplomatie in Zeichen des kalten Kriegs

UKRAINE In München beschimpfen sich Ost und West wie in alten Zeiten – doch sie geben Merkels Friedensplan eine Chance

AUS MÜNCHEN PASCAL BEUCKER
UND ANDREAS ZUMACH

Es waren skeptische Worte, die Angela Merkel am Samstag auf der 51. Münchner Sicherheitskonferenz über die Chancen der deutsch-französischen Vermittlungsmission im Ukrainekonflikt wählte. „Es ist ungewiss, ob sie Erfolg haben“, sagte die Kanzlerin zu den Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko. Aber den Versuch sei es „auf jeden Fall wert“, sagte sie. „Wir schulden es allein schon den betroffenen Menschen in der Ukraine.“ Nach den Einzelgesprächen in der letzten Woche wollen sich Merkel und der französische Präsident François Hollande nun mit Putin und Poroschenko am Mittwoch in Minsk treffen.

Es ist ein Drahtseilakt. Ob das Treffen erfolgreich sein wird, steht in den Sternen. Eine Telefonkonferenz von Merkel und Hollande mit Putin und Poroschenko am Sonntag brachte nicht mehr als eine Verständigung auf den Termin am Mittwoch – und auch der ist noch nicht sicher. Anschließend knüpfte Putin die Begegnung an Bedingungen. Nur wenn es vorab gelinge, eine Reihe von Positionen anzugleichen, könne es das Treffen geben, sagte er. Als größter Knackpunkt gilt der Verlauf der Demarkationslinie für einen Waffenstillstand. Nach Informationen des französischen Senders France 2 sieht der deutsch-französische Friedensplan eine entmilitarisierte Zone von 50 bis 70 Kilometern Breite rund um die aktuelle Trennlinie vor. Die von Separatisten beherrschten Gebiete sollen eine relativ große Autonomie bekommen, berichtete der Sender.

Poroschenko sagte dagegen: „Ich weiß gar nichts von diesen Vorschlägen.“ Er beharrt auf der im Waffenstillstandsabkommen von Minsk festgelegten Linie. „Die Vereinbarung von Minsk ist kein Buffet im Bayerischen Hof“, sagte Poroschenko unter Anspielung auf das Tagungshotel der Sicherheitskonferenz. Der Friedensplan vom September sieht eine Waffenruhe vor, die aber bisher nicht gehalten hat. Stattdessen sind die Kämpfe eskaliert und die Separatisten erzielten erhebliche Gebietsgewinne.

Zu den genauen Vorschlägen, die der französische Präsident und sie den Konfliktparteien unterbreitet haben, machte Merkel in München keine Angaben. Das bisherige Vorgehen Russlands bezeichnete die Kanzlerin als „große Enttäuschung“. Trotzdem sei es richtig, weiter um verbindliche Vereinbarungen zu ringen. Eine Überwindung des Ukrainekonflikts könne allerdings nur „auf der Basis des internationalen Rechts“ erfolgen. Dazu zähle die Akzeptanz der territorialen Integrität eines Landes.

Der kalte Krieg zwischen Russland und dem Westen beherrschte die Sicherheitskonferenz. US-Vizepräsident Joe Biden machte Wladimir Putin für die ständige Eskalation des Ukrainekonflikts verantwortlich. „Es ist das Ergebnis von Entscheidungen Putins, dass die Welt heute anders aussieht als noch vor wenigen Jahren“, sagte Biden.

Der US-Vizepräsident reagierte damit auf Vorwürfe des russischen Außenministers Sergei Lawrow. Dieser hatte zuvor USA und EU beschuldigt, „zu jedem Zeitpunkt des Ukrainekonflikts Schritte unternommen zu haben, um die Krise weiter zu verschärfen“. Ohnehin seien für die massiven Spannungen nicht alleine die Ereignisse in der Ukraine verantwortlich, sondern die Politik der Nato während der letzten 25 Jahre.

Der Westen werde „nicht akzeptieren, dass irgendein Land Einflusssphären um sich herum behauptet“, erwiderte Biden. Die USA und Europa müssten „entschlossen und vereint darin bleiben, die Ukraine zu unterstützen“. Er warf Kremlchef Putin vor, sein Land „immer weiter von der Gemeinschaft demokratischer Staaten wegzuführen“.

Nur in einem zeigten sich Lawrow und Biden einig: Beide begrüßten die Initiative von Merkel und Hollande. Sie böte „eine gute Grundlage für einen gewissen Grad von Optimismus“, sagte der russische Außenminister. „Es ist den Versuch wert“, sagte der US-Vizepräsident.

Angela Merkel warb eindringlich für ihre Deeskalationsstrategie. Eine deutliche Absage erteilte sie der Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine, einem der großen Streitpunkte in München. „Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Konflikt militärisch nicht zu lösen ist“, sagte Merkel. „Das Problem ist, dass ich mir keine Situation vorstellen kann, in der eine verbesserte Ausrüstung der ukrainischen Armee dazu führt, dass Präsident Putin so beeindruckt ist, dass er glaubt, militärisch zu verlieren“, beschied sie den US-Senator Lindsey Graham, der sie aufgefordert hatte, Waffenlieferungen zuzustimmen.