Keine paradiesischen Zustände

SLOWENIEN Viele gleichgeschlechtliche Paare trauen sich nicht, sich öffentlich zu zeigen – obwohl das Land als vergleichsweise homofreundlich gilt und fortschrittliche Antidiskriminierungsgesetze hat

BERLIN taz | Slowenien gilt als eines der homofreundlichsten Länder Osteuropas. Seit 1976 ist Homosexualität nicht mehr strafbar, und seit 2006 ist es möglich, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Zudem gibt es eine fortschrittliche Antidiskriminierungsgesetzgebung, die explizit Schwule und Lesben einbezieht. Diskriminierung am Arbeitsplatz ist illegal – und Schwule und Lesben dürfen im Militär dienen.

Doch diese liberale Gesetzgebung, die anders als etwa in Deutschland meist ohne größeren Rummel im politischen Hinterzimmer ausgehandelt wurde, bedeutet noch keine paradiesischen Zustände für gleichgeschlechtlich Liebende. So stoppte im März 2012 ein Volksentscheid ein neues Familiengesetz, das eingetragenen Lebenspartnerschaften mehr Rechte eingeräumt hätte und sie der Ehe nahezu gleichgestellt hätte, inklusive eines Rechts auf Stiefkindadoption. Das seinerzeit von der Mitte-links-Regierung verabschiedete neue Familiengesetzbuch sollte das aus dem Jahr 1976 stammende Familienrecht modernisieren. Die Gegeninitiative, die „Slowenische Zivilinitiative für die Familie und Kinderrechte“, wurde von der katholischen Kirche stark unterstützt und erhielt über 50 Prozent Jastimmen. Die Wahlbeteiligung lag seinerzeit allerdings bei nur 30 Prozent.

Die Regierung kann jedoch jederzeit eine neuen Anlauf unternehmen. So forderte das Verfassungsgericht bereits im Jahr 2013 das Parlament auf, die Rechte für Schwule und Lesben im Sinne des Rechts auf allgemeine Gleichbehandlung nachzubessern. Im Dezember letzten Jahres brachte nun die Oppositionspartei Vereinigte Linke (ZL) einen Antrag ein, gleichgeschlechtlichen Paaren eine Ehe zu ermöglichen, der gute Chancen hat, durchzukommen – denn auch die Regierungskoalition sowie der größte Teil der weiteren Opposition haben sich positiv dazu geäußert.

Doch auch unabhängig von der Gesetzeslage gibt es in Slowenien noch einiges zu tun: Ob verheiratet oder nicht, die meisten gleichgeschlechtlichen Paare trauen sich dort noch immer nicht, sich öffentlich zu zeigen. Zu groß ist die Angst vor offenen Anfeindungen, die immer wieder vorkommen.

MARTIN REICHERT