STARALBUM: CHARLOTTE RAMPLING
: Die Uneitle

Sie kommt mit einem kleinem Blumenstrauß in den Saal. Kurz vorher hat sie für die Fotografen ein paar hüpfende, tanzende Schritte performt: Charlotte Rampling. Die 69-Jährige spielt in Andrew Haighs Wettbewerbsfilm „45 Years“, der Geschichte eines Ehepaars, das kurz vor dem 45. Hochzeitstag seine Beziehung neu justieren muss. Haighs Porträt dieses Ehepaars ist subtil, berührend, zuschnürend. Das liegt auch an Charlotte Ramplings uneitlem Spiel.

Überhaupt scheint „uneitel“ ein Motiv zu sein. Rampling sitzt während der Pressekonferenz auf ihrem Stuhl und versucht das In-Ear-Übersetzungsgerät in Gang zu bringen. Produzent Tristan Goligher, der neben ihr sitzt, hilft. Während des ganzen Prozesses ist sie nie abwesend, sie hört aufmerksam zu, wenn der Regisseur eine Frage beantwortet. Sie ist präsent, ganz im Moment. Und darum gehe es auch. „Ein Schauspieler nimmt einen Ort in Besitz. Er ist im Moment, und ab dem Zeitpunkt wird die Körpersprache zentral.“

Die englische Schauspielerin Charlotte Rampling wurde nach mehreren privaten Rückschlägen durch Luchino Viscontis „Die Verdammten“ (1969) europaweit bekannt. Hollywood? Habe sie nie interessiert, sagt sie im ernsten Ton, während sie den Journalisten, der die Frage stellte, genau anschaut. „Das Kino, das ich machen wollte, war eher Auteur-orientiert, und das hat sich nicht geändert.“ Ende der 1940er Jahre formulierte der französische Filmkritiker Alexandre Astruc seine These zur Auteur-Theorie, indem er die Frage nach dem geistigen Besitz eines Films aufwarf. Autorenkino also.

Ob sie denn das Drehbuch verfolgt oder es auch Raum für Improvisationen gegeben hätte, will eine Journalistin wissen. „Wir haben ganz streng nach Drehbuch gearbeitet“, sagt sie. Dabei lächelt sie. Haigh greift ein. Er habe vor jeder Szene mit Rampling und dem Schauspieler Tom Courtenay gesprochen, und dann hätten sie Dialoge verändert. Überhaupt ist auch Haigh uneitel, was sein Werk angeht – er habe keine Probleme mit Drehbuchänderungen.

Und manchmal, in den ganz kleinen Momenten, kommt der subtile Humor von Rampling durch. Als sie zum Beispiel über die Tanzszene am Ende des Films redet: „Ich gebe jetzt alle Geheimnisse, die 45 Jahre verborgen waren, preis: „Tom Courtenay kann nicht tanzen, das haben Sie alle deutlich gesehen.“ Oder als sie gefragt wird, welche Ratschläge sie jungen Kolleginnen geben könne. Ihre knappe Antwort: „Keine.“ ENRICO IPPOLITO