Immer weiter machen

Das alternative Kulturzentrum „Speicher“ in Husum wird 25 Jahre alt. Für das dortige Kulturleben ist er eine Institution – auch wenn das nicht mehr alle Husumer so sehen. Problematisch sind und waren die Finanzen

VON ESTHER GEISSLINGER

Donnerstags herrscht Hochbetrieb: Beim „After Work Club“ drängen sich Sachbearbeiterinnen und Verkäufer, Landwirte und Schülerinnen auf der Tanzfläche zwischen den massiven Holzbalken. Am Freitagabend rückt dann die nordfriesische Punkszene für ein Konzert an, am Sonntag bieten Kunsthandwerkerinnen Seidentücher und Zimtkekse feil: Der Husumer „Speicher“, so scheint es, bietet Platz für alle Gruppen, Lebensstile und Nischenprogramme. „Die breite Mischung ist sicher ein Grund für den Erfolg“, sagt Constanze Koch, seit 1990 Geschäftsführerin und – neben einer Bürokraft – einzige Festangestellte des alternativen Kulturzentrums am Husumer Hafen.

Damit kümmert sich die 53-Jährige um alles – vom Getränkeeinkauf über Verträge mit den Bands bis zum Druck des Monatsprogramms. Ehe Kochs Stelle geschaffen wurde, leisteten Ehrenamtliche die Arbeit. Doch dass der Speicher inzwischen professionell betrieben wird, findet Koch nicht: „Wir improvisieren immer noch.“ Und das seit 25 Jahren – so alt wird das Kulturzentrum in diesem Herbst.

Dass das Jubiläum erreicht wird, war nie selbstverständlich: „Wir haben immer gekämpft“, sagt Koch. Auch intern: Längst nicht alle Vereinsmitglieder helfen aktiv mit. So fehlt es an helfenden Händen, etwa zum Stühlerücken oder am Getränketresen. „Vor allem geht uns der Nachwuchs aus“, klagt Koch. Ein Strukturproblem: Jugendliche arbeiten eine Zeit lang mit, dann verlassen sie die Stadt.

Die Anfänge reichen in die 70er Jahre zurück. „Eine sehr politische Zeit“, erinnert sich Gründungsmitglied Urte Andresen. Anti- Kriegs- und andere Gruppen erhielten keine Räume im örtlichen Jugendzentrum und gingen auf die Suche nach einem Gebäude. Der leer stehende Speicher bot sich an. Bei der Gründungsversammlung sei „eine richtig bunte Bewegung“ dabei gewesen, sagt Andresen.

Ein Problem sind und waren die Finanzen: Die Stadt Husum überlässt dem Trägerverein das historische Gebäude kostenlos, seit 1990 zahlen Kreis und Stadt eine Förderung, außerdem versucht der Verein, unrentable Nischenveranstaltungen durch gut laufende auszugleichen. „Aber wir finden es wichtig, diese Sachen anzubieten“, sagt Koch. Sie stelle aber fest, dass der „Wind wieder schärfer von vorn“ wehe: „In der Stadtvertretung sind einige der alten Befürworter weg, und wir haben manchmal den Eindruck, dass einige Husumer Politiker nicht begreifen, dass wir eine Bereicherung sind.“

Dabei trägt der Speicher dazu bei, dass Husum mit seinen rund 22.000 Einwohnern ein beinahe großstädtisches Kulturangebot aufweist: Zwar spielt das Landestheater nur in einem Mehrzwecksaal, aber das örtliche Kino zeigt neben den Kassenschlagern auch Filme, die anderswo nur in Programmkinos oder mit Wochen Verspätung laufen. Dazu gibt es regelmäßig Festivals, etwa die „Husumer Filmtage“ oder eine Frauenfilmreihe. Kein Zufall: Die Junior-Chefin des Kinos war früher Gleichstellungsbeauftragte des Kreises. Eine Perle für einschlägig Interessierte sind die „Pole-Poppenspäler-Tage“: Das internationale Figurentheaterfestival bringt Bühnen aus ganz Europa und Zuschauer aus dem weiten Umkreis nach Husum. Daneben gibt es Musik, Lesungen, Vorträge. Denn Theodor Storms „graue Stadt am Meer“ ist durchaus eine Metropole: Ihr Einzugsbereich reicht über die Halbinsel Eiderstedt hinaus, die Westküste hinunter.

Doch eben das ist ein Problem: Kultur gibt es heute überall. „Der Speicher ist längst nicht mehr das einzige Haus, das etwas anbietet“, sagt Urte Andresen. „Also muss er sehen, dass er mithalten kann.“ Noch klappt das offenbar: Laut einer eigenen Umfrage stammen gut die Hälfte der Besucher aus dem Umland, viele legen mehr als 50 Kilometer zurück: Immer wieder, sagt Koch, seien Leute „aus Kiel oder sogar Hamburg dabei“.

Der Speicher bietet Gruppen aller Art eine Bühne, von Klezmer-Spielern aus Ungarn bis zu Punks aus Petersburg. Auch lokale Vereine oder Bands finden hier eine Heimat. Dazu kommen Angebote wie – seit 2002 wieder – die Volxküche. „Linksextremistisch“ sei der Speicher und gehöre geschlossen, forderte einmal die NPD. Über das Wörtchen „linksextremistisch“ kann Constanze Koch nicht einmal lachen: „Davon habe ich mich sofort distanziert.“ Sogar die Frage, ob der Speicher „alternativ“ sei, lasse sich nicht so einfach beantworten. Dennoch hofft sie, dass der Speicher erhalten bleibt. Andresen ist überzeugt: „Er ist eine Institution.“

Am Sonnabend, 20. 10., ab 17 Uhr wird das Jubiläum gefeiert. Programm unter www.speicher-husum.de