Wegweiser für ein Labyrinth

GRÜNDERCHAMPIONS Metabolomic Discoveries aus Potsdam gewinnen Gründerpreis der deGUT-Messe mit einem neuartigen Analyseverfahren für Lebensmittel. Sie sind nicht nur Landessieger in Brandenburg, sondern räumen auch bundesweit ab

Bei Hightech-Gründungen ist die Nähe zu Forschungseinrichtungen entscheidend

VON MIRKO HEINEMANN

Mit Tomaten hat die ganze Sache angefangen: rote und grüne Tomaten, runde, ovale, wässrig oder vollmundig schmeckende. Zwei Jahre lang arbeitete Nicolas Schauer für einen niederländischen Betrieb, der Tomaten züchtete. Zu den Aufgaben des promovierten Biologen zählte die Analyse der sogenannten Metaboliten, das sind Stoffwechselprodukte, die für Aussehen, Konsistenz und Aroma der roten Früchte verantwortlich sind. „Erst wenn man weiß, welche Stoffe für den Geschmack verantwortlich sind, kann man wirklich wohlschmeckende Tomaten züchten“, sagt Schauer.

Zurück in Potsdam, perfektionierte Schauer gemeinsam mit der Biotechnologin Sandra Trenkamp das Analyseverfahren und gründete 2009 die Firma Metabolomic Discoveries GmbH, die heute acht Mitarbeiter hat. Mit Erfolg: Am 20. Oktober in Berlin wird das junge Unternehmen zum „GründerChampion 2011“ gekürt, als Landessieger in Brandenburg und als Bundessieger in der Kategorie „Geschäftsidee und Innovation“. Der Preis wird von der KfW Bankengruppe ausgelobt und auf den Deutschen Gründer- und Unternehmertagen (deGUT) vergeben. 6.000 Teilnehmer und über 120 Aussteller aus ganz Deutschland werden dort erwartet. Auch Metabolomic Discoveries wird unter den Ausstellern vertreten sein.

Erfolgreiche Unternehmen wie die Biotechnologiefirma unterstreichen den positiven Trend in Brandenburg. Mit einer Selbstständigenquote von 12,3 Prozent lag das Flächenland 2010 an der Spitze der ostdeutschen Länder und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 10,9 Prozent. Auf der anderen Seite muss natürlich auch die hohe Arbeitslosigkeit von über 10 Prozent genannt werden, die den Schritt in die Selbstständigkeit für manchen zur einzigen Alternative macht.

Es wird immer komplexer

Bei Hightech-Gründungen ist die Nähe zu Forschungseinrichtungen eines der entscheidenden Kriterien, wie das Beispiel von Metabolomic Discoveries zeigt, deren Labor im Wissenschaftspark Potsdam-Golm angesiedelt ist. Schauer promovierte am Potsdamer Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie, wo das Metabolit-Analyse-Verfahren entwickelt wurde. Er hatte sich in seiner Doktorarbeit die Frage gestellt, welche Stoffe für den Geschmack von Obst und Gemüse zuständig sind. Er fand heraus, dass nicht nur die genetischen Voraussetzungen stimmen müssen, sondern dass die Stoffwechselvorgänge die Qualität von Obst und Gemüse entscheiden. Er fand in einer einzigen Tomate bis zu fünfhundert Metaboliten, die den Geschmack beeinflussen. Dazu kommen noch mehrere hundert Aromen und andere Substanzen.

Was schon auf den ersten Blick komplex wirkt, offenbart sich bei näherem Hinsehen als Zusammenspiel vieler Faktoren: Metaboliten entstehen in biochemischen Stoffwechselvorgängen, da spielen Umsatzraten eine Rolle, Enzymaktivitäten der einzelnen Stoffwechselwege, Interaktionen zwischen den Stoffwechselwegen, das Nährstoff-Angebot und der Effekt von Wirksubstanzen auf den Stoffwechsel und die Funktionen der Zellen. Schauer und Trenkamp ist es gelungen, einen Wegweiser für dieses Labyrinth zu entwickeln, eine Plattform, mit dem sich die Prozesse analysieren und damit auch beeinflussen lassen.

Die Methode lässt sich nicht nur auf Obst und Gemüse anwenden, sondern auf jeden Stoffwechselprozess, etwa bei der Herstellung von Arzneien. „Wir konnten mit unserer Methode den Herstellungsprozess eines Krebsmedikaments optimieren“, so Schauer. Die auf die Herstellung von bestimmten Vitaminen, Proteinen oder Antikörper hin programmierten Zellkulturen schwimmen in einer Nährlösung. Schauer und Trenkamp analysierten die Stoffwechselprozesse im Substrat und „drehten an den Stellschrauben“, bis am Ende die Produktion der Zellkulturen um zwanzig Prozent nach oben schnellte.

Analyse und Geschmack

Im Februar 2011 gab Metabolomic Discoveries den Startschuss zu einer groß angelegten Dokumentation. Im Rahmen des „1.000 Metabolomprogramms“ sollen tausend verschiedene Organismen und biologische Produkte analysiert werden mit dem Ziel, „ein besseres Verständnis bezüglich Geschmack, Aroma und Qualität zu erlangen“. In diesem Lexikon der Metabolite sollen Nahrungsmittel, Getränke, Kosmetik bis hin zu Arzneimitteln erfasst werden. Die analysierten Proben sollen eine Informationsquelle für die zukünftige Forschung bilden.

Schauer schmecken übrigens Tomaten aus den Niederlanden besser als solche, die aus Südeuropa stammen – was damit zu tun hat, dass die niederländischen Produzenten das Problem erkannt haben: Neben Aspekten wie Widerstandsfähigkeit, schnellem Wachstum und einem schönen Aussehen ist am Ende eben doch der Geschmack der ausschlaggebende Faktor beim Verbraucher.

www.metabolomicdiscoveries.com