Baden in Kultur

KULTURZENTRUM Unverzichtbarer Faktor der Flensburger Kulturlandschaft: Vor 30 Jahren wurde das Volksbad zum Kulturzentrum. Am Wochenende wird der Geburtstag gefeiert

Das Volksbad am Flensburger Hafen bietet ein regelmäßiges Kulturprogramm mit Konzerten, Parties und Theateraufführungen, Räume für Gruppen und Proberäume für Bands.

■ 1901 erbaut wurde das Haus bis in die 70er als Badehaus für badezimmerlose Flensburger_innen genutzt.

■ Als sozio-kulturelles Zentrum eröffnet wurde das Haus 1981 von einer Initiative aus der links-alternativen Szene.

■ Finanziert wird das Haus zu 70 Prozent selbst, 30 Prozent des Etats steuert die Stadt bei.

VON NILS SCHUHMACHER

Im Geburtsjahr von Punk war auch Schluss mit Waschen. Endgültig geschlossen wurde 1977 nach 76-jährigem Betrieb das „Volksbad“ genannte Badehaus am Flensburger Hafen. Mehr und mehr Wohnungen waren im Zuge der Innenstadtsanierung mit sanitären Einrichtungen ausgestattet worden, für eine Einrichtung, „welche den unbemittelten Volksklassen die Wohlthat gesundheitsfördernder Reinigungsbäder gewähren“ soll, wie Meyers Konversationslexikon 1888 so salbungsvoll wie paternalistisch formulierte, wurde kein Bedarf mehr gesehen.

Fortan stand das Gebäude leer und dass es nicht, wie seinerzeit auch in der Fördestadt üblich, gleich der Sanierungswelle zum Opfer fiel, ist nicht zuletzt der Zähigkeit einer kleinen Initiative links-alternativer Flensburgerinnen und Flensburger zu verdanken. Sie erhielt das Gebäude 1981 nach langen Verhandlungen mit der Stadt und begann, im ehemaligen Badehaus ein Kulturzentrum einzurichten, das zweierlei bieten sollte: zum einen kulturelle Angebote für Gruppen, für die es bis dahin keine nennenswerten Angebote in der Stadt gab, zum anderen einen Raum, in dem sich sozio-kulturelle Eigeninitiative entfalten konnte.

Nach selbst durchgeführten und entsprechend langwierigen Umbaumaßnahmen fanden 1985 die ersten Konzert-Veranstaltungen im Haus statt, 1989 entstanden in einer erneuten aufwändigen Umbaumaßnahme auf insgesamt 400 Quadratmetern der Veranstaltungsaal in seiner heutigen Form und weitere Räume, etwa Proberäume für Bands, die übrigens bis heute noch in Flensburg Mangelware sind. Und das Programm? Es wuchs und wuchs und wer sich einmal die für eine etwas abseits der großen Routen liegende Stadt erstaunlich umfassende Liste an bekannteren Bands anschaut, die im Volksbad auftraten, wird eine Ahnung vom weit über den lokalen Raum hinaus reichenden guten Ruf des Ladens bekommen: Abi Wallenstein war da, die Oyster Band, Neurosis, Fettes Brot, Absolute Beginner, Chumbawamba, Beatsteaks oder Station 17, natürlich auch lokale Bands mit bundesweitem Bekanntheitsgrad wie Echt oder Turbostaat. Im gesamten norddeutschen Raum bekannt wurde das Volksbad zudem auch durch die im Haus angesiedelten Schwulen- und Lesbendiscos, die seit mittlerweile 20 Jahren dort regelmäßig stattfinden.

Sicher weniger Grund zum Feiern bieten indes die aktuellen Diskussionen um anvisierte Kürzungen im Kulturetat der Stadt. Auf der einen Seite möchte man sich nur zu gern am Titel „Kulturhauptstadt Europas“ mitwärmen, den das benachbarte Sønderborg im Jahr 2017 tragen wird. Auf der anderen Seite wird darauf hingearbeitet, einen veritablen kulturellen Kahlschlag zu betreiben. Jedenfalls treffen die im Zuge der Haushaltskonsolidierung geführten Diskussionen um Sparpotenziale den Kultursektor der Stadt nicht nur am Rande. Wenig beruhigend ist es da, dass das Volksbad selbst immer schon stark durch ehrenamtliches Engagement mitgetragen wurde, einen großen Teil seiner Kosten selber einspielt und überhaupt nur geringe Zuwendungen von der Stadt erhält (die im Übrigen seit 20 Jahren nicht nennenswert erhöht wurden). Denn auch die kleinste Summe kann, wie jüngst geschehen, Anlass für eine „Überprüfung“ bieten, deren Konsequenzen für die nächsten Jahre noch nicht abzusehen sind.

Weniger Grund zum Feiern bieten die Diskussionen um Kürzungen im Kulturetat

Auch für das Volksbad, durch die Jahre zu einem etablierten Faktor in der Flensburger Kulturlandschaft avanciert und mit einem jährlichen Schnitt von bis zu 20.000 Besucherinnen und Besuchern keinesfalls unter mangelndem Zuspruch leidend, geht die Gratwanderung zwischen „Kultur“ und „Kommerz“, die Geschäftsführer Axel Suhling einmal als besondere Herausforderung selbstverwalteter sozio-kultureller Arbeit bezeichnet hat, also zunächst einmal weiter. Vor das Tagesgeschäft hat der Geburtstag allerdings ein zweitägiges Zeichen der Freude gesetzt.

Am Freitag stehen neben den lokalen Hallo Kwitten mit den Spermbirds (Baujahr 1983) ähnlich alte, aber auch ähnlich rüstige Gratulanten bereit. Die Band um Sänger Lee Hollis gehörte seinerzeit zu den Wegbereitern der hiesigen Hardcore-Szene und war für viele, noch bevor die die Frage kannten, die ersehnte Antwort auf den zunehmend öder werdenden Punk. Samstag darf dann passend zum schönen Anlass, aber auch passend zu Judith Tellado, der karibischen Ella Fitzgerald, endlich einmal wieder die gute Ausgehkleidung übergeworfen werden.

■ Flensburg: Fr, 21. 10., 21 Uhr und Sa, 22. 10., 22 Uhr, Volksbad, Schiffbrücke 67, www.volksbad.de