Polen wird umworben

Merkel und Sarkozy versuchen, Polen rechtzeitig zum EU-Gipfel und EU-Reformvertrag umzustimmen

BERLIN/PARIS afp/dpa ■ Im Tauziehen um den Vertrag zur Reform der Europäischen Union versuchen Deutschland und Frankreich, den polnischen Präsidenten Lech Kaczyński noch vor dem EU-Gipfel in Lissabon umzustimmen: Kurz vor dem Gipfel wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Nicolas Sarkozy den polnischen Staatschef in der kommenden Woche in Berlin und Paris empfangen. Polen gilt als Hauptkritiker des Vertrags, der die gescheiterte EU-Verfassung ersetzen soll. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sollen den Text am 18. und 19. Oktober in Lissabon annehmen, drei Tage vor den polnischen Wahlen.

Sarkozy empfängt Kaczyński am Montag im Pariser Élysée-Palast, Merkel trifft den polnischen Staatschef vier Tage später in Kanzleramt in Berlin. Die Bundeskanzlerin hoffe, bei dem Treffen die „wenigen offenen Punkte“ zum Reformvertrag klären zu können, sagte Vizeregierungssprecher Thomas Steg am Freitag.

Polen will die sogenannte Ioannina-Klausel schriftlich im EU-Reformvertrag verankern. Damit könnte sich das Land langfristig ein aufschiebendes Vetorecht bei Mehrheitsbeschlüssen sichern. Die von EU-Juristen ausgearbeitete endgültige Textfassung des Vertrags, die gestern offiziell vorgelegt wurde, sieht eine solche Klausel jedoch nicht vor. Statt das Vetorecht im Vertrag festzuschreiben, solle der Rat der Mitgliedstaaten gesondert darüber entscheiden, so die Rechtsexperten. Merkel ist nach Angaben von Steg bereit, mit Kaczyński über das Blockaderecht zu sprechen. Er wollte sich aber nicht dazu äußern, inwiefern die Bundesregierung Zugeständnisse machen könnte.