Ruhe im Norden, Chaos im Süden

BERLIN dpa/ap/taz ■ Durch den Streik der Lokführergewerkschaft GDL sind nach Angaben der Bahn am Freitag rund die Hälfte der 19.000 Nahverkehrszüge und ein Drittel der 750 Fernverkehrszüge ausgefallen. Die Auswirkungen für die Reisenden waren regional allerdings sehr unterschiedlich.

Im Norden der Republik war die Lage verhältnismäßig entspannt: In Hamburg, Flensburg, Lübeck und Kiel hatten sich die Reisenden nach Bahnangaben bereits im Vorfeld gut auf eventuelle Verspätungen eingestellt. Sie begegneten der Situation vielerorts mit Gelassenheit. Auch nach dem Ende des Streiks fuhren die Züge aufgrund des Notfahrplans der Bahn nur eingeschränkt.

Auch in Nordrhein-Westfalen blieb das befürchtete Chaos weitgehend aus. Insgesamt seien 15 Züge in verschiedenen Bahnhöfen stehen geblieben, sagte ein Bahn-Sprecher in Düsseldorf. Allerdings kam es zu teilweise großen Verspätungen, gerade in Köln, einem der Streikschwerpunkte neben Dortmund, Düsseldorf und Münster.

Stark betroffen war Frankfurt am Main: Hier zeigte die Zugtafel am Hauptbahnhof am Vormittag überwiegend Zugausfälle an. Die verbleibenden Züge waren oft deutlich verspätet.

Berlin und Brandenburg meldeten nach Ende des Streiks um 11 Uhr eine deutliche Normalisierung der Situation an den Bahnhöfen, so ein Sprecher der zuständigen Verkehrsbetriebe. Die S-Bahn habe direkt im Anschluss durch eine ausreichende Personaldecke den Fahrplan ausgeweitet und könne die Grundversorgung gewährleisten.

Ursprünglich sollte auch hier noch bis zum Fahrplanwechsel von Freitag auf Samstag ein Notfahrplan gelten. Auf den weiteren Bahnstrecken werde ebenso eine Verbesserung der Lage durch zusätzliche Züge erwartet. Weil viele Fahrgäste auf andere Verkehrsmittel umstiegen, waren Busse und U-Bahnen teilweise überfüllt. Auf den Straßen blieb das befürchtete Verkehrschaos hingegen aus.

Die finanziellen Auswirkungen des Streiks bezifferte die Bahn allein im Personenverkehr auf über 1 Million Euro pro Streiktag. Dennoch sieht sich der Konzern für einen wochenlangen Streik gerüstet. Das Deutsche Institut für Wirtschaft rechnet mit einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu einer halben Milliarde Euro pro Tag, allerdings nur, wenn eine ganze Woche lang gar keine Züge fahren würden – was nicht zu erwarten ist.n:

Die Zustimmung der Bevölkerung zum Bahnstreik ist mittlerweile etwas geringer geworden. Im „ZDF-Politbarometer“ äußerten 45 Prozent der Befragten Verständnis für den Streik. 50 Prozent hielten ihn für nicht gerechtfertigt. Bei den ersten Bahnstreiks im Sommer hatte sich noch eine Mehrheit dafür ausgesprochen.

Auch auf die Lohnforderungen der Lokführergewerkschaft von 31 Prozn:ent reagierten die Befragen insgesamt gespalten. 48 Prozent hielten diese Forderung für gerechtfertigt, 46 Prozent sprachen sich ablehnend aus. Die geringste Zustimmung fand die Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag. SNO