Der Anwalt, der kein Plädoyer hielt

Wer sich einen Strafverteidiger vorstellt, denkt an das große Plädoyer, wie ein scharfsinniger Anwalt auf und ab schreitet, alle Argumente so dreht und wendet, dass sie seinen Mandanten in günstigem Licht erscheinen lassen.

Bernhard Docke hat in seinem größten Fall als Strafverteidiger nie ein Plädoyer gehalten, jedenfalls nicht vor Gericht. Er hat den Bremer Murat Kurnaz vertreten, als dieser jahrelang in Guantánamo festgehalten wurde. Gestern verlieh ihm die linksliberale Werner-Holtfort-Stiftung für dieses Engagement einen mit 5.000 Euro dotierten Preis. Es ist auch nicht die erste derartige Auszeichnung für ihn. Ende letzten Jahres erhielt er von der Internationalen Liga für Menschenrechte die Carl von Ossietzky-Medaille.

Der Fall Kurnaz begann für Docke mit einem Auftrag von dessen Mutter Rabiye Kurnaz. In der Hand hatte sie nur eine dürre Postkarte ihres Sohnes, das einzige Lebenszeichen über Jahre hinweg. Auch Docke konnte seinen Mandanten nicht besuchen. Er konnte mit der Gegenseite, der US-Regierung, nicht verhandeln, es blieb ihm vor allem die Öffentlichkeitsarbeit. Er gab unzählige Interviews, verhandelte immer wieder mit der Bundesregierung, trat bei Hearings auf und lernte dort Mitstreiter mit ähnlichen Fällen kennen.

Dass ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung hinter den Kulissen eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern versuchte, hat ihn wohl am meisten verbittert. Doch das wurde erst Jahre später bekannt. Ein Bundestagsuntersuchungsausschuss versuchte die Affäre aufzuarbeiten, natürlich auch mit Hilfe von Docke, ein Abschlussbericht liegt aber noch nicht vor.

Seit rund einem Jahr ist Kurnaz wieder in Deutschland und arbeitet in einem Bremer Integrationsprojekt. Docke vertritt den Rückkehrer derzeit in einem Strafverfahren, das Kurnaz gegen Angehörige der Bundeswehr-Elitetruppe KSK angestrengt hat. Diese sollen ihn kurz nach der Festnahme in Afghanistan misshandelt und verhöhnt haben. Der 52 Jahre alte Docke ist ein ruhiger, sachlicher Typ, kein Advokat für den großen Auftritt mit fuchtelnden Armen und wehender Robe. Studiert hat er in Bremen und den Vereinigten Staaten. Er arbeitet in der Kanzlei des legendären Strafverteidigers Heinrich Hannover, der schon in den 50er Jahren verfolgte Kommunisten verteidigte.

Zurzeit vertritt Docke einen der Angeklagten im Prozess um den Mehrfachmord in einem China-Restaurant in Sittensen.

Bei der Preisverleihung sagte er gestern: „Ich hoffe, dass Guantánamo ein Stück Mittelalter bleibt, und nicht unsere Zukunft wird“. CHRISTIAN RATH

PETRA KILIAN