Der Journalist als Pfand

PRESSEFREIHEIT Nach heftigem internationalem Protest lässt Ägypten den Al-Jazeera-Korrespondenten Peter Greste frei. Seine beiden inhaftierten Kollegen bleiben allerdings in Haft

Ägypten versucht mit der Abschiebung eine Akte zu schließen, die ihr international denkbar schlechte PR eingebracht hat

Aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Nach einer monatelangen weltweiten Kampagne für seine Freilassung unter dem Slogan „Journalismus ist kein Verbrechen“ wurde am Sonntag Peter Greste, der australische Korrespondent des englischsprachigen Fernsehsenders Al-Jazeera International nach 400 Tagen Gefängnis in Ägypten freigelassen. Er wurde in sein Heimatland abgeschoben. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Seine beiden Kollegen, Al-Jazeera-Bürochef Muhammad Fahmy und Produzent Baher Muhammed, verbrachten am Sonntag den 401. Tag hinter Gittern in Ägypten. Sie waren im Dezember 2013 gemeinsam mit Greste festgenommen worden.

Greste und Fahmy waren von einem ägyptischen Gericht zu sieben Jahren, Muhammad zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil sie angeblich die von ägyptischen Behörden als Terrororganisation deklarierte Muslimbruderschaft unterstützt, falsche Nachrichten verbreitet und mit nicht lizenzierter Ausrüstung gearbeitet haben sollen. Das ursprüngliche Urteil war von einem Kairoer Gericht verworfen worden, ein zweiter Prozess sollte im Februar beginnen.

Nach Grestes Freilassung ist nun unklar, wie es mit dem Fall juristisch weitergehen soll. Aus dem ägyptischen Innenministerium heißt es, Fahmi, der neben seinem ägyptischen auch einen kanadischen Pass besitzt, werde erst in den nächsten Tage freikommen, weil noch einige bürokratischen Probleme zu lösen seien. Laut unbestätigten Berichten soll Fahmy jedoch nur freikommen, wenn er seine ägyptische Staatsbürgerschaft aufgibt.

Von der Freilassung des Produzenten Baher Muhammad, der in Ägypten das Pech hat, „nur“ eine ägyptische Staatsbürgerschaft zu besitzen, ist bisher nicht die Rede.

Vor vier Jahren zogen die Menschen mit dem stolzen Slogan über den Tahrirplatz: „Erhebe dein Haupt, du bist Ägypter!“ Aber damals herrschte Aufbruchstimmung. Heute werden die Journalisten in Ägypten zwischen einem immer repressiveren Staat und einer sich radikalisierenden islamistischen Bewegung zermahlen.

Während des gesamten Prozesses gegen die drei Al-Jazeera-Journalisten waren keine schlüssigen Beweise für Vorwürfe gegen sie vorgelegt worden. Zeugen hatten sich ständig widersprochen. Angeblich unabhängige Gutachter waren bei der Festnahme in den Reihen der Polizei dabei. Und das angeblich belastende Videomaterial bestand aus Auszügen von Berichten über ein Tierheim in Kairo, über das Leben der Christen in Ägypten und sogar aus Videomaterial aus Kenia, von wo Greste einst berichtet hatte. Nirgendwo ließ sich hier die Anklage erhärten.

Die ägyptische Regierung versucht mit der Abschiebung der „Ausländer“ nun offensichtlich eine Akte zu schließen, die ihr international denkbar schlechte PR eingebracht hat. Aber die Peinlichkeit bleibt. Denn wenn Peter Greste, wie ein ägyptisches Gericht geurteilt hat, tatsächlich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit war, warum hat der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi jetzt angeordnet, ihn freizulassen? Und wenn er keine Bedrohung war, wofür wurde er dann eigentlich ins Gefängnis gesperrt?

Das Ganze hinterlässt einen bitteren Geschmack, weil Journalisten hier in Wirklichkeit ein Pfand in einem Streit zwischen der ägyptischen Regierung und dem Emirat Katar waren, das den Fernsehkanal Al-Jazeera teilfinanziert.

In den letzten Wochen hatten sich die Beziehungen zwischen Ägypten und Katar aber spürbar verbessert. Katar hatte Ende letzten Jahres den Fernsehkanal Al-Jazeera Misr geschlossen, der sich kritisch mit dem Regime in Ägypten auseinandergesetzt und der in Ägypten verbotenen Muslimbruderschaft als Sprachrohr gedient hatte – schon damals wurde über einen Deal hinter den Kulissen gemutmaßt, bei dem im Gegenzug die Korrespondenten von Al-Jazeera International in Ägypten freikommen könnten.

Nun hat die ägyptische Regierung zumindest einen Teil ihres Pfandes gegen Katar aufgegeben. Eingesperrte Journalisten als Verhandlungsmasse? Zynischer kann man mit Pressefreiheit und Menschen kaum umgehen.