Was tun in Hamburg?
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■ So, 1. 2., 21 Uhr, Hafenklang

Weltabschaffungs-Soundtrack

Dass schon die ersten Sekunden eines jeden Songs bei der Hörerin geradezu zwanghaft große Namen evozieren, kann für eine Band ebenso Fluch wie Segen bedeuten. Alles hängt dann davon ab, ob man die Bürde zu stemmen weiß – los wird man sie so schnell nicht mehr. Als die Chicagoer Rocker Disappears ihr Debüt „Lux“ vorlegten, waren die unvermeidlichen Vergleiche allerdings so zahlreich, dass man am Ende der Liste voller Namen, Rock-Epochen und Subgenres genau so schlau war wie am Anfang: Als beerbten Disappears zwischen New-Zealand-LoFi, Shoegaze-Spacerock, 60s-Fuzz-, Prog- und Krautrock, Post- und Garagen-Punk und post-minimalistischem Totalismus so ziemlich alles, ohne dabei noch irgendetwas ausdrücklich zu benennen; als extrahierten Disappears inmitten all der Referenzen die Essenz des Rock seit den 60ern und pressten sie immer wieder in düster-dissonant und minimalistisch-repetitiv vor sich hinrumpelnde und -wabernde, mit jeder Menge Verzerrung, Hall, Tremolos und Delays vernebelte drei Minuten No-Fidelity-Unendlichkeit.

Worauf man sich dabei noch am ehesten einigen kann: dass die Grundsteine der einstürzenden Garagen-Klangwände, an die Disappears ihren Space-Punk tapezieren, Velvet Underground, Spaceman 3, Public Image Ltd. und Sonic Youth heißen. Dass Brian Cases lakonisch-verärgerter Sprechgesang mal eher an Lou Reed, mal eher an John Lydon und mal eher an Mark E. Smith erinnert. Und dass der ganze „real earthquake mindfuck“ einen fulminanten Soundtrack zur Abschaffung der Welt abgeben würde.

■ So, 1. 2., 20 Uhr, Rote Flora

Die Sicht der Opfer

Hitlergruß und bepisste Jogginghose: Dieses Bild des hässlichen Deutschen ging damals um die Welt. Wie aber denken die Opfer der Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen über diese massivsten rassistisch motivierten Ausschreitungen nach dem Nationalsozialismus – als im August 1992 Hunderte Rechtsradikale die Aufnahmestelle für Asylbewerber und das Wohnheim für vietnamesische Gastarbeiter im „Sonnenblumenhaus“ angriffen und Tausende Zuschauer applaudierten? Auf der Grundlage von Zeitzeugengesprächen dokumentiert und verarbeitet Dan Thy Nguyens und Iraklis Panagiotopoulos’ Theaterperformance „Sonnenblumenhaus“ die Sicht der damals Belagerten.

■ Do, 5. 2., 19.30 Uhr, Uebel & Gefährlich

Kopfsache Literatur

Jünger als 30 Jahre ist hier niemand. Aber „jung“ sein – das ist ohnehin „Kopfsache“, ist sich Jan Lafazanoğlu sicher. Und junge Literatur, die können auch Fünfzigjährige schreiben, weiß Schriftstellerin Lucy Fricke. Zum fünften Mal veranstalten die beiden am Donnerstagabend auf drei Bühnen im Uebel & Gefährlich und im Terrace Hill im Feldstraßenbunker „Ham.Lit“, die „Lange Nacht junger deutschsprachiger Literatur und Musik“.

15 AutorInnen lesen parallel auf drei Bühnen, dazwischen gibt es Live-Musik von Rakede, Joco und dem Bürgermeister der Nacht. Zu hören gibt es diesmal Auszüge aus Romanen, szenische Texte und Lyrik unter anderem von Karen Köhler, Nino Haratischwili, Dmitrij Gawrisch, Jens Eisel, Maruan Paschen, Verena Günter und Heike Geißler. Dirk Laucke feiert sein Romandebüt und auch Alexander Posch hat ein erstes Buch geschrieben.  MATT