Rezensionsnotiz: Lydia Davis

■ Lydia Davis: „Formen der Verstörung“ (Droschl Verlag). Auszug aus Rezension, taz vom 6. 10. 2011. „Wie isolierte Gedankensplitter, rasch notierte Eindrücke, kleine Schnitzarbeiten oder John Cages einzelne Noten in breiter Stille: Manchmal lassen sich Davis’ Kurzgeschichten noch mit den Notizen in Lichtenbergs Sudelbüchern vergleichen. Vielleicht ist dessen Diktum, nachdem es keine Kunst sei, ‚etwas kurz zu sagen, wenn man was zu sagen hat‘, die Leitplanke von Lydia Davis’ literarischer Anstrengung. Allerdings liegen Lichtenbergs Aphorismen stets irgendwo zwischen Humor, Literatur und Philosophie – und gerade diese Felder meidet Davis. Nichts an ihrer Prosa will ins Sentenzhafte, im Gegenteil: Die Schwelle zum Großen und Ganzen bleibt sorgsam unberührt. Vielleicht ist es die Knappheit, das Unmittelbare der Sprache oder der Umstand, dass sie auch mal den Eins-zu-null-Stil des Nachrichtenteils einer Provinzzeitung kopiert: Wer Lydia Davis liest, geht mit ihr eine Weile durch den Alltag.“