AUF HEIMATBESUCH IN HAMBURG KANN ES VON VORTEIL SEIN, FÜR DÄNISCH GEHALTEN ZU WERDEN
: 50 Cent Sympathiebonus

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Selbst wenn unser Nummernschild nicht dänisch wäre, sondern deutsch, hätten wir nicht unbedingt Kleingeld für den Einkaufswagen in der Hosentasche. Vielleicht doch. Aber wäre unser Nummernschild deutsch, wir also nicht nur zu Besuch, hätte ich wahrscheinlich nicht am Einkaufswagenständer des Gartenzentrums gestanden und versucht, Hausmüll in den öffentlichen Mülleimer zu quetschen, beschämt und verhuscht, mit Kind auf dem Arm, das ich auf einem Einkaufswagen absetzen möchte. Denn wo wir hier in Deutschland wohnen, haben wir nur eine halbe Mülltonne.

Natürlich ist es illegal, leere Duschgelbehälter von zuhause zu den Kassenbons des Gartenzentrums zu schmeißen, ganz abgesehen davon, dass das Grüner Punkt ist. Mein Kind auf dem Arm wartet still in der Kälte, gleich werde ich sie in einen Einkaufswagen setzen. „Haste das Geld für ’nen Wagen?“, rufe ich meinem Mann zu, auf dänisch, der bei geöffneten Türen und lauter Musik das andere Kind bei Laune hält. Wäre der Parkplatz das Wohnzimmer einer Freundin, würde sie uns wahrscheinlich bitten, uns nicht so breit zu machen. Immerhin bellt der Hund nicht auch noch.

„Du bruger fünfzig… ähh… halvtreds cent“, sagt auf einmal eine ältere Dame zu mir. Sie und ihr Mann nehmen sich einen Wagen, und ich sage überrascht „Tak“ und bringe meinem Mann die Münze aus irgendeinem Land zurück, welche er in seiner Hosentasche gefunden hatte. „Sie dachte ich wäre dänisch“, sage ich zu ihm, und: „Wir haben kein Geld für ’nen Wagen.“

Da kommt die Dame auch schon zurück. „Det skulle være det rigtige“, sagt sie auf dänisch-deutsch, ein wenig überlegt sie und freut sich, ihr Dänisch hier anbringen zu können, in den Walddörfern im Hamburger Norden. Und ich bin wieder so überrascht: „Tak!“, sage ich, „Tak skal du have!“

Und hoffe, dass sie gleich an der Kasse nicht vor mir stehen wird, es wäre ja so peinlich für uns alle, aber 15 Minuten später an der Kasse habe ich auch schon wieder vergessen, darauf zu achten. Eine Palette ist mit Rind, eine ist mit Wild, die dritte ist mit Seelachs, und die Postkarte zu drei Euro lasse ich doch hier. Wie gut dass ich den Wagen habe, wie hätte ich sonst alles schleppen sollen? Es ist ein wenig wie mit einem Händedruck von Elvis Presley: Ich will die 50 Cent ins Handschuhfach legen mit einem Schild: „Nur für Einkaufswagen!“ – aber das habe ich zwei Stunden später auch schon wieder vergessen.

Hätte die Dame mir die fünfzig Cent auch geschenkt, wenn wir ein deutsches Nummernschild gehabt hätten? Hätte sie nicht eher das Gefühl gehabt, dass wir uns in ihrem Wohnzimmer elendig breit gemacht haben, ohne Münzen und ohne Peilung, da muss man doch mal ein bisschen Kleingeld im Handschuhfach haben, und das arme Kleine, die friert doch.

Gut für uns jedenfalls, dass unser Nummernschild dänisch ist. Und dass die Dame und ihr Mann ihre Dänemarkurlaube offenbar in guter Erinnerung haben.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle. Einen Sammelband mit ihren „Hamburger Szenen“ aus der taz.hamburg hat der Verlag Michason & May unter dem Titel „Hamburg Walking“ veröffentlicht.