Oder wird jetzt gleich der Ölhahn zugedreht?

STAATSAFFÄRE Das von den Saudis gesponserte „Abdullah-Zentrum“ in Wien und sein fragwürdiges Gebaren entzweit die österreichische Politik

Einen „geordneten Rückzug“ aus dem Abdullah-Zentrum für Interreligiösen Dialog (KAICIID) kündigte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag an. Das von den Saudis gesponserte Zentrum in Wien wurde anlässlich eines Evaluierungsberichts zum Gegenstand heftiger innerkoalitionärer Verwerfungen.

Während Faymann das umstrittene KAICIID alsbald schließen möchte, „wenn die Missstände nicht behoben werden“, plädiert Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) für Vertragstreue: Man habe diese Einrichtung nicht geschaffen, damit sie „die Menschenrechte kommentiert“. Der Evaluierungsbericht über das 2012 von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien gegründete Dialogzentrum am Wiener Schottenring erschien, wenige Tage nachdem die Prügelstrafe für den saudischen Blogger Raif Badawi einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte.

Das KAICIID verweigert jede Stellungnahme zur drakonischen Bestrafung des Mannes, dessen Verbrechen der Einsatz für religiöse Toleranz ist. Der Bericht des Außenministeriums listet Mängel auf, die man auch mit bloßem Auge hätte erkennen können. Neben dem Schweigen zur bisher nur aus medizinischen Gründen ausgesetzten Prügelstrafe für den Blogger wirft der Bericht dem KAICIID vor, bislang wenige seiner Aktivitäten überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Auch sei es bis zuletzt nicht möglich gewesen, konkrete Verletzungen der Religions- und Gewissensfreiheit aufzuzeigen oder zu verurteilen.

Eine Reform würde intensive Verhandlungen mit allen anderen Vertragsparteien erfordern. Vor den Konsequenzen eines Rückzugs aus dem KAICIID wird aber gewarnt: Eine Schließung könne juristische Nachteile für Österreich bringen. Die saudische Regierung hat dem österreichischen Botschafter bereits mit Folgen für andere internationale Organisationen mit Sitz in Österreich gedroht. Infrage kommen etwa die Opec und der milliardenschwere Opec-Fonds, deren Abzug für Österreich wirtschaftlich schmerzhaft wäre.

Deshalb bremst die ÖVP, die ihrer Wirtschaftsklientel verpflichtet ist. Kanzler Faymann, dessen Umfragewerte durch sein vehementes Eintreten für einen Ausstieg aus dem KAICIID gestiegen sind, kündigte eine Entscheidung in den kommenden Tagen an. Er erhält ungewohnten Beifall von der Opposition. Die Grünen warnen, Österreich dürfe sich von den Saudis nicht erpressen lassen. Die rechtspopulistische FPÖ hält die Schließung des Zentrums für „unabdingbar“. Auftritt Bundespräsident Heinz Fischer: Er fordert eine sachliche Diskussion und kein „SPÖ contra ÖVP“-Problem. „Denn das hat wirklich mit Parteipolitik nichts zu tun.“ RALF LEONHARD