Zwischen Hoffnung und Ernüchterung

REGIERUNG Der schnell vereidigte neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras vom Linksbündnis Syriza setzt sofort Zeichen – allerdings nicht immer zur Begeisterung seiner Anhänger

AUS ATHEN JANNIS PAPADIMITRIOU

Erst kam die Wahlparty, dann der Kater: Das Zweckbündnis mit der rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen (siehe Text rechts) können viele Linkswähler nur mit großem Befremden zur Kenntnis nehmen. Griechenlands erster Ministerpräsident der Linkspartei, Alexis Tsipras, agiert hier völlig unideologisch und von rein taktischen Erwägungen getrieben.

Der Erzbischof fehlt

Immerhin stellt Tsipras auch am Tag nach der Wahl seinen ausgeprägten Sinn für Symbolik unter Beweis: Im Anzug, aber ohne Krawatte erscheint er am Montagnachmittag im Präsidentenpalast. Als erster Ministerpräsident in der Geschichte Griechenlands wird er dort nicht vom Athener Erzbischof, sondern vom Staatspräsidenten persönlich vereidigt. Sein Zivileid „im Namen des Gewissens und der Ehre“ ist ein bisher einmaliger Vorgang in einem Land, in dem die Trennung von Kirche und Staat noch nicht vollzogen wurde.

Sein Kabinett will Tsipras erst am Dienstag vorstellen. Als sicher gilt, dass bei den Wirtschaftsressorts die Pragmatiker der Linkspartei Regierungsverantwortung übernehmen und rein marxistisch orientierte Ökonomen außen vor bleiben.

Einen Vorgeschmack konnten die künftigen Partner aus der Europäischen Union möglicherweise schon beim Treffen der Eurofinanzminister bekommen (siehe Text links unten). Dort wurde Griechenland am Montag zwar durch den bisherigen Finanzminister Gikas Hardouvelis vertreten, da die neue Regierung noch nicht im Amt war. Doch Hardouvelis hatte sich vorsorglich noch in der vergangenen Woche mit dem Syriza-Wirtschaftsexperten Jannis Dragasakis getroffen, um die Stimmung im linken Lager auszuloten. Unglücklicherweise wurde dieses Treffen publik – zur Empörung des abtretenden Regierungschefs Antonis Samaras, berichten griechische Medien.

Alexis Tsipras sieht sich offenbar gut gerüstet für eine Neuverhandlung der griechischen Schulden, das hat er immer wieder auch im Wahlkampf versprochen. Aufmerksamen Beobachtern dürfte jedoch nicht entgangen sein, dass führende Syriza-Wirtschaftsexperten in den vergangenen Wochen auch sanftere Töne angeschlagen haben. Da war nicht mehr die Rede von der Nationalisierung der griechischen Banken, und auch ein ausgeglichener Haushalt war kein Tabu mehr.

Besonders auf die großzügige Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürfte die neue Linksregierung ihre Hoffnungen setzen. Da die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi, Staatsanleihen zu kaufen, und der griechische Wahlkampf zeitlich zusammenfielen, wurde die Frage des Ankaufs von Wertpapieren durch die europäischen Währungshüter in Athen stark politisiert.

„So hat Draghi die Berliner Mauer abgerissen“, titelte etwa die den Sozialisten nahestehende Zeitung Ethnos – eine mehr als deutliche Anspielung auf den deutschen Widerstand gegen die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank. Konservative und sozialdemokratische Politiker mahnen, die Frankfurter Geldpolitik sei kein Freischein für Ausgabewünsche der Linksregierung in Athen – sondern im Gegenteil ein Druckmittel für weitere Reformen. Noch ist diese Botschaft nicht ganz angekommen.