Der Straßenarbeiter

Stanislaw Szczerba hat keinen Beruf gelernt. Seine Eltern haben ihm das Saufen beigebracht, da war er noch ein Kind. Und später – sie hatten ihn in ein Kinderheim gesteckt und er ist abgehauen – hat er neben Mülltonnen geschlafen. „Fünf Jahre lang war mein Leben eine Mischung aus Straße und Alkohol“, sagt er. Im polnischen Breslau war das, über 20 Jahre her. Mit 51 Jahre findet man ihn heute auf den Straßen Hamburgs – als Streetworker der polnischen Barka-Stiftung.

Mittlerweile schätzt man die Zahl der osteuropäischen Obdachlosen in Hamburg auf 400, und vor Winteranbruch ist ihre Situation besonders prekär: Sie haben keinen Anspruch auf Notunterkünfte, der Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke hatte sie bis vor Kurzem von ihrer beliebten Platte ferngehalten. Die meisten sind nicht krankenversichert und haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Deshalb versucht Szczerba, sie zur Rückkehr zu bewegen, zu ihren Familien – oder direkt zur Therapie. Mit Erfolg: 145 Osteuropäer hat er in einem Jahr in den Bus nach Hause gesetzt, davon 91 nach Polen.

Auch er kam damals bei der Barka-Stiftung unter, 1989 war das, da hatte sie sich gerade gegründet, um polnischen Obdachlosen in ihrem Heimatland zu helfen. Szczerba zog auf einen Hof auf dem Land, „es war Wohnprojekt und Therapiezentrum in einem“, sagt er. Er wurde trocken – und beschloss, etwas zurückzugeben und selbst zu helfen.

Seit 16 Jahren arbeitet Szczerba als Sozialarbeiter, er war der erste, den Barka ins Ausland schickte. Schließlich verließen immer mehr Polen auf der Suche nach Arbeit ihr Land. Wer scheiterte, landete schnell auf der Straße. Szczerba hat mehrere Jahre in London gelebt, seit fast einem Jahr ist er in Hamburg, hier wird seine Arbeit vom Konsulat und Senat finanziert. Für die osteuropäischen Obdachlosen in der Stadt ist er der einzige Ansprechpartner, wenn er in seinem dicken Anorak die Reeperbahn entlangläuft. „Mittlerweile kennen sie mich alle“, sagt er. Und sie vertrauen ihm. EMS