Das Volk schwächelt

LEGIDA Zur Patrioten-Demo nach Leipzig kommen weniger Teilnehmer als angekündigt. Nazis und Hools greifen Gegendemonstranten an

Ein Fotograf soll so schwer attackiert worden sein, dass er seine Arbeit abbrach

AUS LEIPZIG ERIK PETER
UND DINAH RIESE

Schnell waren sich die Teilnehmer des Leipziger Legida-Aufmarsches darüber einig, wo der Rest der großspurig angekündigten 60.000 Menschen am Mittwochabend verblieben war: Antifa und Polizei hätten die Zugänge zum Augustusplatz derart versperrt, dass kein Durchkommen war. Dabei hatten 4.000 Polizisten sichergestellt, dass die Legida-Anhänger – laut Angaben der Stadt 15.000 – trotz bis zu 20.000 Gegendemonstranten ihren Weg vor die Leipziger Oper fanden.

Der Durchschnitts-Legidist war männlich, schwenkte eine Deutschlandfahne und hatte Angst davor, dass bald „die Ausländer“ in seinem Land das Sagen haben. Neu war das Aufgebot an prominenten Rednern. Querfrontpropagandist Jürgen Elsässer, Exredakteur der linken jungen Welt, heute Herausgeber des rechten Monatsmagazins Compact, begrüßte die grölende Menge mit „Ihr seid das Volk“, um dann gegen Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu hetzen. „Volksverräter“ schallte es aus der Menge.

Geplant war der „Spaziergang“ auf dem Innenstadtring, wo im Herbst 1989 Zehntausende Demonstranten gegen das SED-Regime auf die Straße gingen. Doch das war Legida von der Stadt untersagt worden. Das Leipziger Verwaltungsgericht hatte diese Entscheidung am Mittwochnachmittag bestätigt.

Vorneweg formierte sich ein Block, überwiegend aus größtenteils vermummten Dresdner Hooligans und Nazis. Alsbald gerieten Journalisten in deren Visier. Dutzende von ihnen machten Jagd auf die Vertreter der Presse. Ein Fotograf soll dabei so schwer attackiert worden sein, dass er seine Arbeit abbrechen musste.

Die Polizei blieb gelassen. Am Rande stehenden Polizisten wurde von den Legidisten unentwegt für ihren Einsatz gedankt; ein Teilnehmer erzählte von seiner Begegnung mit einem Beamten. Der soll ihm gesagt haben: „Ihr macht euren Job, wir machen unseren.“ Motto: Zusammen sind wir stark. Stark war die Polizei aber auch ohne ihre selbsternannten Freunde von Rechtsaußen. Es schien, als sei jeder der 4.000 Beamten mit seinem eigenen Einsatzwagen angerückt.

Beim Abmarsch zum Leipziger Bahnhof gingen gewaltsuchende Patrioten unter „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“-Rufen auf Gegendemonstranten in den Seitenstraßen los. Die Angreifer warfen Böller und versuchten, Absperrungen der Polizei zu überwinden. Diese beschränkte sich darauf, beide Seiten voneinander zu trennen und die Antifaschisten weiter nach hinten zu drängen. Während des Aufzuges selbst war allerdings von den Gegenprotesten wenig zu vernehmen gewesen. Einige Einwohner hatten Transparente aus ihren Fenstern gehängt und den Mob zurück nach Dresden gewünscht. Ein Laken mit der Aufschrift „Wirr ist das Volk“ meinte die Legida-Teilnehmer. „Die können ja noch nicht mal richtig deutsch, die schreiben ‚wir‘ mit zwei r“, amüsierte sich eine Anhängerin der deutschen Volkskultur.