Namibier verweigern Herero-Küsschen

KOLONIALKRIEG Eklat bei Herero-Schädelübergabe in der Berliner Charité: Staatsministerin Pieper von empörter namibischer Delegation ausgebuht

BERLIN taz | Die Zeremonie zur Rückgabe von 20 Totenschädeln von Völkermordopfern aus Namibia an eine namibische Delegation ist am Freitag in der Berliner Universitätsklinik Charité in einen Eklat gemündet. Die deutsche Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP), die die Bundesregierung bei der Übergabefeier vertrat, wurde bei ihrer Rede permanent von der namibischen Delegation sowie von Vertretern afrikanischer Migrantenorganisationen unterbrochen und ausgebuht. Namibische Regierungsvertreter weigerten sich aus Protest gegen die Abwesenheit gleichrangiger deutscher Minister, an einer Unterschriftenzeremonie teilzunehmen.

Die Totenschädel sind die ersten 20 von mutmaßlich mehreren tausend sterblichen Überresten von Angehörigen der Völker der Herero und Nama, die sich in deutschen Instituten befinden. 1904 hatten sich die Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft im heutigen Namibia erhoben und wurden daraufhin mit einem Vernichtungsfeldzug der deutschen Armee nahezu ausgerottet.

Die namibische Delegation, die seit Montag in Berlin zur Entgegennahme der Schädel weilte, fühlte sich von der Bundesregierung ignoriert. Nach taz-Informationen diskutierte sie noch am Donnerstag über einen vorzeitigen Abbruch ihrer Reise.

Namibias Kulturminister Kazenambo sagte zur taz: „Die deutsche Regierung muss anerkennen, dass wir eine sehr tragische Geschichte teilen.“ Die offizielle deutsche Sprachregelung ist, dass Deutschland eine „politische und moralische Verantwortung“ in Namibia anerkennt, nicht jedoch, dass es einen Völkermord gegeben hat. D.J.

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